Bundesrepublik Deutschland Wirtschaftsverlauf Wirtschaftspolitik Nachdem die Konjunktur in den ersten neun Monaten des Jahres 1972 einen schleppenden Verlauf genommen hatte, trat im vierten Quartal eine erfreuliche Belebung ein. Insgesamt war das wirtschaftliche Wachstum, gemes sen am Zuwachs des realen Bruttosozialproduktes, etwa gleich groß wie im Vorjahr. Nach einem Anstieg von 2,7 in 1971 wuchs dieses Bruttosozialprodukt 1972 um 2,9 entscheidend war jedoch die verstärkte Entwicklung inner halb des Jahres. Während der private Verbrauch zu lau fenden Preisen um 9,5 zunahm, wuchs der Staatsver brauch um 13 In den letzten Monaten wurde der Auf schwung in stärkerem Maße von den privaten Investitionen getragen. Diese Investitionsneigung basiert auf den ver besserten Absatzerwartungen, der hohen Auslastung der Produktionskapazitäten und auf der aus dem Ausland kommenden Nachfrage. Der Warenaustausch der Bundesrepublik mit dem Aus land erreichte im vergangenen Jahr ein Gesamtvolumen von DM 277,8 Mrd gegenüber DM 256,1 Mrd 1971. Die Im porte nahmen um 7,2 auf DM 128,8 Mrd zu, und die Ex porte stiegen, obwohl Preisvorteile u. a. durch Wechsel kursänderungen verlorengegangen waren, um 9,6 auf DM 149,0 Mrd. Die Außenhandelsbilanz schloß mit dem neuen Rekordüberschuß von DM 20,3 Mrd. Den Hauptanteil an dem Aktivsaldo hatte der Güteraustausch mit den EFTA-Ländern mit einem Plus von DM 16,6 Mrd. Im Handel mit den USA und den Ostblockländern erhöhte sich der Ausfuhrüberschuß auf DM 3,0 bzw. 2,4 Mrd. Dagegen wuchs im Handel mit den EG-Partnern der Passivsaldo auf DM 3,2 Mrd, mit den Entwicklungsländern, blieb er^ mit DM 2,6 Mrd nahezu unverändert. Zusätzliche Impulse fyr das Exportgeschäft 1973 versprechen die Erweiterung der Euro päischen Gemeinschaft und die weiterhin positive Entwick lung der Weltkonjunktur; dies bestätigt sich deutlich in dem Nachfragewachstum bei der Industrie Anfang 1973. Die steigende Nachfrage führte zu einer zunehmenden Überforderung der Wirtschaft. Die Preissituation spitzte sich deshalb vor allem um die Jahreswende 1972/73 trotz zahl reicher staatlicher Maßnahmen weiter zu. Sowohl auf der Erzeuger- als auch auf der Verbraucherstufe verstärkte sich der Preisanstieg. Im Dezember betrug der Abstand zum Vorjahr bei den industriellen Erzeugnissen 4,3 Die In flationsrate der Verbraucherpreise schnellte auf die bisher höchste Steigerungsrate von 6,5 Die hohen Preissteigerungen, der stark steigende Geld umlauf und die spekulativen Devisenzuflüsse gaben der Deutschen Bundesbank Anlaß, den anfänglichen Kurs der Lockerung der kreditpolitischen Maßnahmen in einen re striktiven Kurs zu ändern. Dieser war weniger konjunkturell als außenwirtschaftlich bedingt. Der Diskont- und der Lom bardsatz wurden am 25. Februar 1972 auf 3 bzw. 4 herabgesetzt und die Mindestreserven ermäßigt. Ab 1. März schränkte die Deutsche Bundesbank die Liquidität schrittweise ein. Das geschah durch eine zweimalige Er höhung der Mindestreservesätze zum 1. Juli und zum 1. Au gust, durch Kürzung der Rediskont-Kontingente der Banken und schließlich auch durch die Intensivierung der Offen markt-Politik. Außerdem wurden, begünstigt durch den Zins anstieg im Ausland, die Diskont- und Lombardsätze im Ok tober, November und Dezember von 3 auf 4,5 bzw. von 4 auf 6,5 erhöht. Dieser Kurs wurde Anfang 1973 weiter verfolgt. Neben .einer nochmaligen Erhöhung der Diskont- und Lombard sätze um jeweils V2 auf 5 bzw. 7 mit Wirkung vom 12. Januar 1973 kürzte die Bundesbank per 1. Februar und 1. April 1973 die Rediskont-Kontingente der Banken jeweils um 10 Diese drastischen Eingriffe führten zu einer er heblichen Einengung des Kreditspielraumes der Geldinstil tute und zu einem ansteigenden Zinstrend am Kapital- und Geldmarkt. Die Bemühungen der Bundesbank um die Geldwert stabilität wurden durch Maßnahmen der Bundesregierung unterstützt. Die Bestimmungen der am 1. März 1972 ein geführten Bardepot-Regelung, die inländische Unterneh men zu zinsloser Bardepothaltung von zunächst 40 ihrer im Ausland aufgenommenen Kredite zwang, wurden im Juni und im Dezember verschärft. Zu einer spürbaren Ver teuerung der meistens auf dem Eurogeldmarkt aufgenom menen Kredite führte die Heraufsetzung des Bardepot satzes von 40 auf 50 Die Bardepot-Freigrenze be trägt seit dem 1. Januar 1973 DM 50 000,Daneben stellte die Bundesregierung Ende Juni 1972 den Absatz von In- 20

Rabobank Bronnenarchief

Geschäftsberichte Norddeutsche Kreditbank | 1972 | | pagina 23