Weltwirtschaft
Internationale Konjunktur
Welthandel
Währungssituation
Nachdem der Konjunkturabschwung in den Industrielän
dern beiderseits des atlantischen Ozeans in den ersten
Monaten des Jahres endgültig zum Stillstand gekommen
war, hat sich die Konjunktur im Laufe des Jahres 1972 in
den meisten westlichen Industriestaaten merklich belebt.
Die durchschnittliche Zuwachsrate des realen Bruttosozial
produktes der OECD-Mitgliedsländer lag mit 5,5 höher
als im Vorjahr (3,4
Die eingeleiteten konjunkturpolitischen und. außenwirt
schaftlichen, zum Teil dirigistischen Maßnahmen der ameri
kanischen Regierung führten in den USA zu einem kräftigen
wirtschaftlichen Wachstum. Bei einer Zunahme des realen
Bruttosozialproduktes von 6,5 wurde der Preisauftrieb
gedämpft und die Arbeitslosenquote am Ende des Jahres
auf 5,1 vermindert. Während das Defizit der amerika
nischen Zahlungsbilanz dank dem verminderten Dollarab
fluß im Vergleich zu 1971 zurückging, schloß die Handels
bilanz mit dem Rekorddefizit von 6,4 Mrd Dollar ab.
Japan hat trotz der Ende 1971 vorgenommenen Aufwer
tung des Yen eine konjunkturelle Erholung erfahren. Sie
wurde von einem fortwährenden und hartnäckigen Uber
schuß im Außenhandel begleitet. Das japanische Wirtschafts
wachstum liegt mit rund 9 an der Spitze der internationa
len Wachstumsskala. Nachhaltig traten die expansiven Kräf
te in Kanada hervor, dort bereitet allerdings die chronische
Arbeitslosigkeit weiterhin Sorge.
Das Konjunkturbild in Westeuropa ist uneinheitlich. Das
wirtschaftliche Wachstum hat sich auch hier beschleunigt,
doch konnten die überdurchschnittlichen Steigerungen der
USA und Japans nicht erreicht werden. Während sich ib
Frankreich, den Benelux-Ländern und der Bundesrepublik
Deutschland der anhaltende Aufschwung durch die zuneh
mende Investitionstätigkeit verstärkte, befinden sich Italien
und Großbritannien am unteren Ende der internationalen
Wachstumsskala. Die konjunkturelle Erholung machte dort
nur sehr langsame Fortschritte.
Gemeinsam ist allen Ländern, daß die Konjunktur vor
nehmlich getragen wird von der Zunahme der privaten Ver
brauchsausgaben, die sich auf den starken Anstieg der Mas
seneinkommen stützt, sowie von den erhöhten Ausgaben
der öffentlichen Hand und vom Wohnungsbau. Die Investi
tionstätigkeit hat sich dagegen noch nicht voll entfaltet. Der
rasche Anstieg der Löhne und Gehälter verursachte erheb
liche Preissteigerungen vor allem in den konsumnahen Be
reichen.
Eine Besonderheit der derzeitigen Preissteigerungen ist
die ganz Europa umfassende Einheitlichkeit. Die Wirtschafts
politik verlagert sich daher, von wenigen Ausnahmen abge
sehen, zunehmend von der Stimulierung des Wachstums auf
die Dämpfung der Inflation. Auf internationaler Ebene, etwa
in der OECD, wird einer Lösung des Inflationsproblems
große Bedeutung beigemessen, denn die Steigerungsraten
der Lebenshaltungskosten der wichtigsten Industrienationen
lagen 1972 zwischen 3,3 (USA) und 7,9 (Niederlande).
Die Güterproduktion in der Welt und der Welthandel
haben im abgelaufenen Jahr weiter expandiert. Die Wäh
rungsunruhen wirkten sich erschwerend aus. Die Steige
rungsrate des Welthandelsvolumens betrug rund 7 Nach
dem Bericht des General Agreement on Tariffs and Trade
(GATT) haben die Einfuhren der Industriestaaten stark zuge
nommen. Mit Ausnahme der Ölstaaten mußten die Entwick
lungsländer eine Verschlechterung ihres Handelsaustau
sches verzeichnen, der sich jedoch im Durchschnitt in mäßi
gen Grenzen hielt. Die Freihandelszonen gewinnen dagegen
am Welthandel einen immer größeren Anteil. Zur bedeu-.-
tendsten Handelsmacht der Welt hat sich die erweiterte
Europäische Gemeinschaft entwickelt, auf die über 40% der
Welteinfuhren und Weltausfuhren entfallen.
Nach dem Realignment der Währungsparitäten im De
zember 1971 kam es nicht zu der vielfach erhofften Festi
gung des US-Dollars an den internationalen Devisenmärk
ten. Nur in den ersten Monaten führten diese Beschlüsse zu
einer Beruhigung der weltweiten Währungslage. Obwohl
der Druck auf den US-Dollar nachließ, erreichte der Geld
rückfluß in die USA nicht den erwarteten Umfang, da u. a.
das Zinsniveau in den Vereinigten Staaten als zu wenig at
traktiv erschien. Bereits ein halbes Jahr nach der Neuord
nung der Wechselkurse brach erneut eine Währungsunruhe
aus, in deren Mittelpunkt das englische Pfund stand. Es
setzte ein umfangreicher Geldstrom nach mehreren konti-
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