Großhandel
Der bundesdeutsche Binnengroßhandel erlebte 1970 eine Umsatzausweitung, die in der ersten
Jahreshälfte sehr stark war, in der zweiten aber bedeutend nachließ. Insgesamt haben die
Umsatzwerte um rd. 9 (im Vorjahr: 14 zugenommen. Der Geschäftsverlauf in Bremen
entsprach dieser Entwicklung sowohl im ganzen wie auch in den meisten Fachbereichen: Vor
allem der Bedarf an Bau- und Werkzeugmaschinen, Kraftwagen, Kraftfahrzeugersatzteilen,
Elektroerzeugnissen, Uhren, Wein und Spirituosen hat überdurchschnittlich zugenommen. Die
Umsatzentwicklung wurde zunehmend von Preisveränderungen beeinflußt, die sich auf die
Ergebnisse der einzelnen Branchen sehr unterschiedlich auswirkten. Von Preissteigerungs
tendenzen weitgehend verschont blieb der Textilgroßhandel, dessen Absatz um 10 bis 15
zunahm. Während der Baustoffgroßhandel im Bundesdurchschnitt seinen Umsatz um 22%
erhöhen konnte, hielten sich die Materiallieferungen der (im Firmenbestand unverändert ge
bliebenen) bremischen Betriebe nur geringfügig über denjenigen des Vorjahres. Gestiegen
sind aber neben dem allgemeinen Kostenauftrieb, der mehr oder minder den gesamten
Großhandel in Mitleidenschaft zog die finanziellen Anforderungen, die sich aus der Kredit
funktion dieses Handelszweiges gegenüber Bauindustrie und Bauhandwerk ergeben: Über
lange Zahlungsziele häuften sich und Insolvenzgefahren in der Bauwirtschaft erhöhten die
Risiken.
Für den Großhandel mit Elektrogeräten und Elektromaterial war 1970 ein weiteres
Jahr der seit dem Basisjahr 1949 ungebrochen anhaltenden und sprunghaften Expansion.
Aber auch das Ausmaß der Kostenprogression hat in den letzten Jahren derart zugenommen,
daß Umsatzausweitung und Ertragsverbesserung nicht mehr parallel verlaufen, eine Entwick
lung, welche die Frage der Kostendeckung und der Gewinnerzielung mehr als bisher in den
Vordergrund rückt. In der Rundfunk- und Fernsehbranche werfen die hohen Produktions
werte nicht nur für den Hersteller, sondern auch für den Handel erhebliche Finanzierungs
probleme auf. Zusätzliche Risiken ergeben sich für den lagerhaltenden Großhandel durch die
ständige technische Weiterentwicklung auf diesem Gebiet, die auch eine Perfektionierung
des Kundendienstes erfordert. Kurz vor Jahresende fiel die als bewährter Ordnungsfaktor
betrachtete Preisbindung für Farbfernsehgeräte, ein Indiz für die Schwierigkeiten, mit denen
die Branche zu kämpfen hat.
Im Zuge der starken Ausweitung des privaten Konsums erhöhten sich die Umsätze des bre
mischen Einzelhandels um 11,4% (gegenüber 8,1 im Vorjahr), eine Ziffer, die dem Bundes
ergebnis nahekommt und für Bremen den größten Anstieg seit 14 Jahren darstellt. Die Wachs
tumsrate des Facheinzelhandels betrug 11,3 die der Waren- und Kaufhäuser 11,8%. Inner
halb der einzelnen Branchen florierte das Geschäft besonders in Büromaschinen und Büro
bedarf 24%), gefolgt vom Fahrzeughandel 18,7%), während in Bekleidung, Wäsche
und Schuhen nur vergleichsweise geringe Verbesserungen 6,0 eintraten. Dem gün
stigen Absatzresultat entsprachen aber keine adäquaten Erträge. Die Kostensteigerung des
Jahres 1970 der mit Wirkung vom 1.12.1969 abgeschlossene Gehalts- und Lohntarifvertrag
hatte eine Mehrbelastung von etwa 10,6 zur Folge ist vielmehr zu einem ernsten Problem
geworden, da sich wegen der Preispolitik mancher Hersteller und unter dem Konkurrenzdruck
die Handelsspannen verkürzten. Die an sich als nützlich und sinnvoll erachtete Preisbindung
bei vielen Artikelgruppen hat an Einfluß auf die Gesamtpreisgestaltung verloren: Sie betrifft
noch etwa 17 des Umsatzes. Auch die Durchlöcherung der Richtpreise schuf neue Wett
bewerbskomplikationen.
Am markantesten offenbarte sich der Existenzkampf beim Lebensmitteleinzelhandel. Die Zahl
der Geschäfte dieser Branche verringerte sich 1970 um nicht weniger als 256 (gegenüber 213
im Vorjahr), wobei selbst größere Betriebe von ihren Inhabern aufgegeben wurden. Die
Anziehungskraft von Supermärkten und anderen Großbetriebsformen hat zweifellos zugenom
men; daneben entsprechen den Interessen der Konsumenten weiterhin Betriebe, die mit einem
Minimum an Zeitverlust erreichbar sind und ein möglichst umfassendes Sortiment bieten, d. h.
Fachgeschäfte mit möglichst erweiterter Verkaufskapazität, wie sie auch in den neu erstehen
den stadtbremischen Einkaufszentren eingeplant sind.
Der Versandhandel stand mit einer Umsatzzunahme um 16,6 an der Spitze der
bundesamtlichen Repräsentativstatistik, ein Spiegelbild der Erfolge großer Firmen mit
breit gefächertem Katalogangebot. Anders ist die Situation beim typisch bremischen, von einer
Vielzahl von Firmen getragenen Versandhandel, der sich auf Sortimente von Genußmitteln,
vornehmlich Kaffee und Zigarren, beschränkt und Abnehmerkreise im Bundesgebiet durch die
Qualität seines Angebots anspricht. Die mittleren und kleineren Unternehmen dieses Einzel
handelszweiges sehen sich seit Jahren einer Versteifung des Wettbewerbs ausgesetzt, der
ihnen Schwierigkeiten bereitet, ihre Position zu halten und auszubauen.
Einzelhandel
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