der inflationstreibende Geldeinstrom erneut anschwoll, wobei die Deutsche Mark zum Haupt
objekt internationaler Währungsspekulationen größten Ausmaßes wurde, erfolgten in der
ersten Hälfte des Maimonats 1971 Abwehrmaßnahmen: Die Bundesrepublik und die Nieder
lande gaben den Wechselkurs vorerst frei, während die Schweiz und Österreich ihre Wäh
rungen um 7 bzw. 5,5 aufwerteten.
Die EWG ist im Jahre 1970 nach Beendigung der zwölfjährigen Übergangsfrist in die Schluß
phase ihres Aufbaues eingetreten. Es wurde eine neue Finanzverfassung beschlossen sie
trat am 1. Januar 1971 in Kraft welche die Finanzierung des Haushalts der Gemeinschaften
anstelle des bisherigen Systems der Finanzbeiträge auf schrittweise zu erreichende Eigen
finanzierung aus Agrarabschöpfungen und Zöllen abstellt. Die bestehenden Marktordnungen
wurden durch solche für Tabak und Wein vervollständigt. Mit einigen Ländern des Mittelmeer-
Raumes wurden handelspolitisch relevante Abkommen getroffen. Das Zweite Jaunde-Abkom-
men und das Arusha-Abkommen, beide 1969 abgeschlossen und 1970 ratifiziert, verstärken
die EWG-Entwicklungshilfe der nächstfolgenden Jahre im Rahmen des Assoziationssystems
mit afrikanischen Ländern.
Der hohe Grad der internen wirtschaftlichen Verflechtungen zeigt sich am EWG-Binnenhandel,
der in der Berichtsperiode um 18 (auf 42,8 Mrd) zugenommen hat. Expertenarbeiten für
die möglichst im Laufe dieses Jahrzehnts zu verwirklichende Wirtschafts- und Währungsunion
konkretisierten sich in einem Stufenplan (dem sog. „Werner-Plan“), der inzwischen für die
erste Dreijahresstufe (1971 bis 1973) im wesentlichen angenommen wurde. In dieser Phase
soll schrittweise erreicht werden: die Angleichung der wirtschaftspolitischen Instrumente der
Mitgliedstaaten, die Beschleunigung der Liberalisierung des Personen-, Güter-, Dienst-
leistungs- und Kapitalverkehrs, die Entwicklung gemeinschaftlicher Maßnahmen der Regional-
und Strukturpolitik, eine Verbesserung der Koordinierung auf dem Geld- und Kreditsektor, die
Einnahme gemeinsamer Standpunkte in der äußeren Währungspolitik sowie die Schaffung
eines „Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit“.
Mit diesen Zielvorstellungen kontrastierte die unterschiedliche Reaktion der Partner
länder auf die Währungskrise im Frühjahr 1971. Der in Brüssel am 9. Mai 1971 erzielte Kom
promiß, demzufolge die Dollar-Parität von Franc und Lira unverändert blieb, während der
Wechselkurs der Deutschen Mark und des Holländischen Gulden temporär freigegeben wurde,
bedeutet für die währungspolitische Integration einen eklatanten Rückschlag; günstigenfalls
mag er aber Bestrebungen auslösen, die Verwirklichung des Konzeptes rascher voranzutrei
ben und damit den Weg zur Union zu verkürzen. Mit der Wiederaufnahme der Verhandlungen
mit den vier beitrittswilligen EFTA-Staaten (Großbritannien, Irland, Norwegen und Dänemark)
am 30. Juni wurde im Berichtsjahr ein bedeutsames Datum gesetzt. Nach elf Monaten harten
Ringens kam es dann am 23. Juni 1971 in Luxemburg zur Einigung zwischen der EWG und
Großbritannien, welches zum 1. Januar 1973 Mitglied des Gemeinsamen Marktes werden soll.
Im Jahre 1970 setzte sich in der Bundesrepublik die Hochkonjunktur des Vorjahres mit Stärke
fort. Die Kapazitätsauslastung übertraf zumindest bis zum Herbst den in früheren Hochkon
junkturjahren erreichten Auslastungsgrad. Technische und noch stärker personelle Engpässe
setzten schließlich dem industriellen Wachstum Grenzen. Im späteren Jahresverlauf ließ
die Beanspruchung des Produktionsapparates nach, ohne daß jedoch damit wie die Weiter
entwicklung im laufenden Jahr zeigt eine wirkliche Dämpfung des Booms eingeleitet wurde.
Konjunkturanheizende Impulse gingen insbesondere von der Nachfrage nach Gütern des
privaten Verbrauchs aus die Ausgaben hierfür erhöhten sich um 11,4% und vom
öffentlichen Bereich. Obwohl die Staatseinnahmen sich insgesamt nur um 6V2 erhöhten,
weiteten sich die Ausgaben trotz Streichung oder Rückstellung vorgesehener Posten im Haus
halt der Gebietskörperschaften um rd. 11 aus. Die beunruhigendste Erscheinung im Wirt
schaftsgeschehen des Berichtsjahres war der steile Anstieg der Kostenelemente, insbesondere
der Personalkosten. Er wurde durch Produktivitätsfortschritte nur in geringem Maße ausgegli
chen: Während die Effektivverdienste im Durchschnitt der gesamten Wirtschaft um 14,5%
Zunahmen, erhöhte sich das Produktionsergebnis je Erwerbstätigen nur um 3,5 Die Folge
war neben schrumpfenden Gewinnmargen der Unternehmen ein Preisauftrieb in Höhe von ge
samtdurchschnittlich 6%, der stärkste der Nachkriegszeit seit dem Korea-Boom des Jahres 1951.
Europäische
Integration
Bundesrepublik