Bericht des Vorstandes über das Geschäftsjahr 1970
A. Allgemeine Entwicklung
Im Jahre 1970 hat sich nach den Ermittlungen der Organisation for Economic Cooperation and
Development (OECD) die konjunkturelle Entwicklung in den westlichen Industrieländern ver
langsamt. Der Wachstumsprozeß ließ in Nordamerika wo die Wirtschaft der USA sich in
einem Konjunkturtief befand wie auch, von Land zu Land differenziert, bei den meisten
gewichtigen europäischen Volkswirtschaften nach; selbst im dynamischen Japan zeigte sich
eine Tendenz der Expansionsabflachung. Im Zuge dieser Entwicklung setzte sich zwar, wie
eine Untersuchung des in Genf domizilierenden Internationalen Arbeitsamtes ergab, die Auf
wärtsbewegung des allgemeinen Beschäftigungsniveaus fort, doch in verlangsamtem Takt,
teilweise unter Zunahme industrieller Arbeitskräfte auf Kosten des landwirtschaftlichen Kräfte
potentials.
Nach Schätzung der OECD lag der Anstieg des zusammengefaßten Sozialproduktes um
etwa 11/«°/o unter dem des Vorjahres von rd. 5%. Auch in der Europäischen Wirtschafts
gemeinschaft (EWG) nahm das Bruttosozialprodukt mit 5,5 weniger stark als im Vorjahr
(7 zu. Ausgehend von einer sich in den USA und Großbritannien abzeichnenden Besserung
des Konjunkturklimas wird für das laufende Jahr gegenüber 1970 beschleunigtes Wachstum
der Weltwirtschaft angenommen, während die Voraussagen für dasjenige der EWG gedämpfter
sind. Bei einer Mehrzahl der Länder war die Entwicklung von einem Preisauftrieb begleitet,
dessen Ausmaß einige europäische Regierungen (Dänemark, Schweden, Norwegen, Irland
und Jugoslawien) veranlaßte, einen Preisstopp zu verhängen.
Angesichts der ständig wachsenden und gegenseitigen ökonomischen Abhängigkeit ergibt
sich die Notwendigkeit, dem allgemeinen Inflationstrend über einzelstaatliche Maßnahmen hin
aus durch Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit entgegenzutreten ein zentrales
Thema auf der im letzten Monat des Berichtsjahres abgehaltenen Pariser Konferenz der Spit
zenvertreter der großen internationalen Wirtschaftsorganisationen, die sich weiterhin zu einer
weltweiten liberalen Handelspolitik unter Einbezug der Interessen der Entwicklungsländer und
Angleichung der Wirtschafts- und Finanzpolitik in den Industrieländern bekannten. In dieser
Linie lag die zum Jahreswechsel in Kraft getretene vierte und vorletzte Zollsenkung auf In
dustrieerzeugnisse gemäß den 1967 im Rahmen des General Agreement on Tariffs and Trade
(GATT) gefaßten Beschlüssen der sog. Kennedy-Runde.
Trotz der Verlangsamung der Güterproduktion und der Stagnations- bzw. Rezessionserschei
nungen in einigen für den globalen Kommerz bedeutsamen Ländern entfaltete sich der Welt
handel, wenngleich im ersten Halbjahr stärker als im zweiten, weiter expansiv. Eine ursächliche
Rolle spielte dabei, daß der Importbedarf der USA trotz Rückgang des realen Bruttosozial
produktes angehalten hatte. Die westlichen Industrienationen sowie Australien, Neuseeland
und die Südafrikanische Republik verzeichneten durchweg einen kräftigen Anstieg in Ein-
und Ausfuhr. Auch in Lateinamerika weitete sich der Außenhandel nach beiden Seiten hin
aus, während die Exporte Afrikas sich etwas verlangsamten und der Außenhandel des asia
tischen Kontinents ein sehr uneinheitliches Bild bot. Der Überschuß der Handelsbilanz der
nordamerikanischen Länder wuchs beträchtlich; Großbritanniens Außenhandel leistete erst-
IVeltwirtschaft
Welthandel
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