Bericht des Vorstandes über das Geschäftsjahr 1969
A. Allgemeine Entwicklung
Im vergangenen Jahre hat sich die Weltwirtschaft konjunkturell weiterhin günstig ent
wickelt. Der Hauptanteil an der Produktionssteigerung entfiel wiederum, wenn auch in recht
differenziertem Maße, auf die großen Industrienationen; besonders eindrücklich ist hierbei
die zusammengefaßte Wachstumsbilanz der Länder der Europäischen Wirtschaftsgemein
schaft (EWG) mit einer Expansionsrate des realen Bruttosozialprodukts von 7 °/o. Der Kon
junkturauftrieb verschärfte im Jahresverlauf die Diskrepanz zwischen Produktionsaaswei
tung und Nachfragesteigerung, die zur Ausschöpfung technischer und personeller Reserven
führte, hierdurch Kosten und Preise in die Höhe trieb und zwecks Eindämmung des Booms
eine Reihe von Ländern zu Restriktionsmaßnahmen in Form von mittelbarer und unmittel
barer Kreditbeschränkung zwang. Damit in Zusammenhang stand ausgehend von den
USA, die das bisher höchste Zinsniveau ihrer monetären Geschichte verzeichneten eine
weltweite Eskalation der Zinssätze. Am Eurodollar-Markt wichtiges Verbindungsglied
zwischen den nationalen Kreditmärkten kulminierten die Raten im Juni mit über 12 °/o
und erreichten nach vorübergehender Rückbildung zum Jahresende hin wieder 11 °/o.
Der Welthandel nahm 1969 den bisherigen Ermittlungen des General Agreement on Tariffs
and Trade (GATT) zufolge dem Volumen nach um 10 ®/o und in laufenden Preisen um 13,5 °/o
zu. Die Außenhandelsumsätze der Länder der EWG wie auch der European Free Trade
Association (EFTA) expandierten kräftig. Beide Gebilde erzielten in ihrem Binnenhandel die
größte Zuwachsrate seit ihrer Gründung. Sie betrug bei der EWG 28 °/o und bei der EFTA
vornehmlich beeinflußt durch die verbesserte Außenhandelsposition Großbritanniens
16,9 °/0. Von der positiven Entwicklung des Welthandels profitierten auch rohstofferzeugende
Länder der sog. Dritten Welt, deren Exporte vielfach höhere Erlöse einbrachten. Der Preis
verlauf auf den Weltwarenmärkten war allerdings recht uneinheitlich: Während bei Me
tallen eine ausgeprägte Hausse herrschte, Naturkautschuk einen seit Jahren nicht mehr ver
zeichneten Höchststand erreichte und Rohkaffee kräftig anzog, tendierten einige andere
Waren, darunter Rohwolle und Rohjute, nach unten. Insgesamt aber war, wie die Rohstoff
notierungen von Reuter, Moody und der Londoner Financial Times ausweisen, der Preis
spiegel zum Jahresende gegenüber dem Vorjahr erheblich gestiegen. Für die Mitglieds
länder des GATT trat mit der Beendigung des Berichtsjahres die dritte Zollsenkung im
Rahmen der Kennedy-Runde in Kraft, womit der im Abkommen vorgesehene Zollabbau zu
drei Fünftel durchgeführt ist. Inzwischen haben im GATT Verhandlungen auf der Grund
lage eines neuen Arbeitsprogrammes begonnen, das die Förderung des internationalen Wa
renverkehrs durch Abbau von nichttarifären Handelshemmnissen, mithin solchen administra
tiver und fiskalpolitischer Art, zum Gegenstand hat.
Die kräftige Entwicklung des Welthandels ist um so beachtlicher, als das Berichtsjahr, wie
schon seine beiden Vorgänger, im Zeichen großer Währungsunruhe stand. Während der
Dollar von einem krisenhaften Druck verschont blieb und das Pfund Sterling sich mit zu
nehmender Konsolidierung der britischen Zahlungsbilanz auf den Devisenmärkten festigte,
herrschte größte Unsicherheit hinsichtlich etwaiger Wechselkursänderungen beim Fran-
Weltwirtschalt
Welthandel
Internationale
Währungspolitik
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