Ostfriesland
Fremdenverkehr
Ausblick
Da bei den begrenzten Etatmitteln Prioritäten gesetzt werden müssen, dürfte das in das
Aktionsprogramm Nordwestniedersachsen einbezogene Ostfriesland eine vorrangige För
derung beanspruchen; seine Lage und Struktur weist generell alle Schwächemerkmale einer
förderungswürdigen Region auf. Zwar war die Gesamtentwicklung im Jahre 1969 positiv,
doch wurde die bei einer Exportquote von über 40 °/o stark vom Auslandsgeschäft abhängige
Industrie Hauptproduktionszweige: Fahrzeugbau, Schiffbau, Milchverarbeitung, Mineral
ölverarbeitung, Maschinenbau, Spirituosen von der Aufwertung stark betroffen. Vor
allem gab der weiterhin sehr differenzierte Industrialisierungsgrad innerhalb der Region und
der unvermindert weite Abstand in den Leistungsdaten zu denen des Bundes wie auch zum
niedersächsischen Landesdurchschnitt Anlaß zur Sorge. So ist zwar die Industriedichte, er
mittelt an der Quote der industriellen Arbeitnehmer je 1000 Einwohner, geringfügig an
gestiegen, ohne aber (laut statistischer Erhebung zum 30. 9.) mit der Indexzahl von knapp
70 die des Bundes (139,3) oder auch Niedersachsens (110,1) nur annähernd zu erreichen.
Erfreuliche Aspekte bot die Entwicklung des ostfriesischen Handwerks, wobei die höchsten
Zuwachsraten in Beschäftigung und Produktion die technischen Handwerke verzeichneten.
Mit 1100 Betrieben entfiel mehr als ein Viertel des ostfriesischen Handwerks auf die Metall
branche. 185 neue Betriebe wurden in die Handwerksrolle eingetragen. Der Stadt Emden,
mit rund 14 200 industriellen Arbeitnehmern wirtschaftlicher Schwerpunkt des Landes,
brachte das Berichtsjahr Fortschritte, im Hafenbau (Vertiefung des Fahrwassers von See her
bis zum Leichterplatz Möwensteert für Schiffe bis zu 12,80 m Tiefgang) und im Ausbau der
Energieversorgung. Die entstandene Unruhe über das Schicksal der Emder Erdölwerke
konnte mittlerweile beseitigt werden, da nach Übernahme des Unternehmens durch eine
amerikanische Gesellschaft mit eigener Rohölbasis der Fortgang der Produktion und die
Erhaltung der Arbeitsplätze gesichert wurden. Unter den im Raumordnungsprogramm aus
gewählten Industriestandorten wurde Emden eine Investitionsförderungsquote bis zu 20 °/o
zugesprochen, während Aurich, Leer, Norden und Wittmund in die 15-Prozent-Kategorie
eingestuft wurden.
Obwohl die Ferienordnung des Berichtsjahres bewirkte, daß die Hauptsaison bereits vor
Ende August auslief, setzte der Fremdenverkehr, ein traditioneller Aktivposten im Wirt
schaftsleben Niedersachsens, seinen Aufschwung fort. Besonders günstig war das Ergebnis
im Küstengebiet, wo die Anstrengungen der jüngsten Zeit, das Fremdenverkehrsangebot zu
erweitern, ihre Früchte trugen. Die höchste Zuwachsrate erzielten die zwischen Dollart und
Jadebusen gelegenen Küstenorte, die großenteils im Zusammenhang mit Küstenschutz- und
Deichbaumaßnahmen attraktive Bade- und sonstige Erholungseinrichtungen geschaffen hat
ten. Mit nahezu 187 000 Übernachtungen buchten sie in der Sommersaison 1969 eine Fre
quenzsteigerung von nahezu 20 #/o. Auch in den Erholungsorten im Weserbergland und in
der Lüneburger Heide wurde die Entwicklung vom wachsenden Tourismus geprägt, dem
durch Erweiterung und Verbesserung der Verkehrsbetriebe Rechnung getragen wurde.
Landesraumordnungsprogramm, Landesentwicklungsplan und die beiden Aktionsprogramme
räumen der Hebung des Fremdenverkehrs einen wichtigen Platz ein. Für den Harz wurde
in Verbindung mit einem Landschaftsrahmenplan die Ausarbeitung eines umfassenden Ent-
wicklungs- und Förderungsprogrammes in Angriff genommen.
Die wirtschaftliche Erfolgsbilanz Niedersachsens im Jahre 1969 ist nicht nur an den erzielten
Zuwachsziffern, sondern auch an der initiativreich und mit großer Aktivität betriebenen
Strukturpolitik zu messen. Auch wenn die relative Entwicklungsschwäche des Landes nicht
in wenigen Jahren behebbar ist, bedeuten doch die klare Zielsetzung, die erstellten konkre
ten Arbeitsunterlagen und die Erweiterung des wirtschaftspolitischen Instrumentariums eine
gute Ausgangslage für die Beschleunigung des Wirtschaftswachstums. In den Bergbau
regionen des Zonenrandgebietes bereits eingeleitete Umstrukturierungsmaßnahmen zeitigten
Erfolge und das Küstengebiet gewinnt für die Großindustrie zunehmend an Anziehungskraft.
Ein Musterbeispiel moderner Industrieansiedlung am seeschifftiefen Wasser ist das um die
Jahresmitte in Betrieb genommene Chemiewerk in Nordenham, dessen in der ersten Inve
stitionsstufe errichtete Kapazität auf eine Jahresproduktion von 36 000 t Titandioxyd-
Pigmente als begehrtem Farbstoff für vielfältige Verwendungszwecke abgestellt ist. Infolge
der Entwicklungsdynamik auf allen Gebieten werden die jetzigen Vorstellungen des Reform
werkes für die bemessenen Zeiträume kaum unverändert bleiben. Vor allem im Küstengebiet
wird es von Bedeutung sein, in welchem Ausmaß und mit welcher Beschleunigung es ge
lingen wird, bei Großinvestitionen die Interessen Niedersachsens mit denen der übrigen
Anrainerländer zu koordinieren und die bereits in Ansätzen bestehende Kooperation auf
breiter Basis auszubauen.
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