Europäische
Integration
zösischen Franc und bei der Deutschen Mark. Die Beobachtung, daß die im Herbst des Vor
jahres auf der Bonner Währungskonferenz von Frankreich und der Bundesrepublik zur
Vermeidung von Paritätsänderungen beschlossenen Ersatzmaßnahmen keinen grundlegenden
Wandel in den jeweiligen Ungleichgewichten der Zahlungsbilanzen zu schaffen vermochten,
veranlaßte die Spekulation zu Geldverlagerungen enormen Ausmaßes, wodurch sich die
Situation erheblich verschärfen mußte. Schließlich erfolgte am 8. August die Abwertung des
Franc um 11,1 °/o und am 27. Oktober nach vorangegangener vierwöchiger Suspendierung
ihres festen Wechselkurses die Aufwertung der D-Mark run 9,3 °/o. Dies normalisierte die
Devisenmarktlage und am Jahresende zeigten sich die Weltwährungsreserven der Zentral
banken, wie aus dem Jahresbericht des Direktoriums des Europäischen Währungsabkom
mens (EWA) hervorgeht, nur wenig verändert. Auf seiner Anfang Oktober in Washington
abgehaltenen Jahreskonferenz verwirklichte der Internationale Währungsfonds (IWF) seinen
vor zwei Jahren gefaßten Beschluß, das Währungssystem run ein neues Reservemedium, die
Sonderziehungsrechte (SZR), zu bereichern. Sie wurden auf 9,5 Mrd festgesetzt und hiervon
3,5 Mrd den Teilnehmerländern im Verhältnis ihrer IWF-Quote zum 1. Januar 1970 zu
geteilt; auf die Bundesrepublik entfielen 201,6 Mio. Damit wurde erstmals in der Wäh
rungsgeschichte „synthetische" Liquidität bereitgestellt. Eine inzwischen vom IWF beschlos
sene Quotenaufstockung von rd. 21,3 Mrd auf rd. 28,9 Mrd steht mit der weiteren
Zuweisung von je 3 Mrd SZR für die beiden folgenden Jahre in Zusammenhang. Des
weiteren traf der IWF mit dem führenden Goldproduktionsland, der Republik Südafrika,
zinn Jahresende ein Abkommen über den Ankauf von Warengold für monetäre Zwecke. Das
allseits befriedigende Arrangement wurde dadurch erleichtert, daß die Goldpreise am freien
Markt von ihrer im Frühjahr erreichten Spitze von fast 44 pro Feinunze im Verlauf des
Jahres auf die amtliche Parität von 35 pro Feinunze zurückgefallen waren.
Für die EWG war 1969 integrationspolitisch ein äußerst schwieriges, aber im Endergebnis
positives Jahr. Es begann in Krisenstimmung und war lange Zeit von Stagnation nach innen
und außen geprägt. Im Herbst drohten zudem die Wechselkurskorrekturen von Franc und
Mark wegen ihrer Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Preise den mühsam geschaf
fenen EWG-Agrarmarkt in Frage zu stellen. Diese Gefahr wurde schließlich durch eine
Kompromißlösung abgewendet, welche einerseits die französische Landwirtschaft für die
Dauer von zwei Jahren von einer um den Abwertungssatz fälligen Preiserhöhung dispen
sierte und andererseits die Gemeinschaft an der Stützungsaktion für die betroffene deutsche
Landwirtschaft (DM 6,8 Mrd), wenn auch in relativ mäßigem Umfange (maximal DM 660 Mio),
beteiligte. Die Bereinigung der Paritäten war aber insofern integrationsmäßig auch ein Ge
winn, als die zukünftige währungspolitische Kooperation hierdurch eine gesündere monetäre
Basis erhielt. Die Veränderung der politischen Konstellation in Frankreich führte unter fort
schreitender Verbesserung des Verhandlungsklimas zu einer Annäherung bisher konträrer
Standpunkte. Im letzten Monat des Jahres offenbarte sich die wiedergewonnene Aktions
bereitschaft auf gemeinsamer Linie in bedeutsamen Entscheidungen. Ungeachtet der noch
ungelösten Fragen wurde auf der Haager Gipfelkonferenz vom 1. und 2. Dezember unter
Verzicht auf eine mögliche Verlängerung der zwölfjährigen Übergangsperiode in Über
einstimmung mit dem EWG-Gründungsvertrag der Eintritt in die Schlußphase der Gemein
schaft zum 1. Januar 1970 deklariert und der stufenmäßige Aufbau einer Wirtschafts- und
Währungsunion beschlossen. Noch im gleichen Monat kam es in Brüssel zu einer grund
sätzlichen Einigung über eine künftige ebenfalls etappenweise zu errichtende Finanz
autonomie der Gemeinschaft, deren Verwirklichung allerdings in hohem Maße vom Erfolg
einer Revision der Agrarfinanzierung abhängen wird. Eine erste Etappe der währungs
politischen Integration wurde bereits im Februar dieses Jahres mit dem auf der Grundlage
des Barre-Memorandums getroffenen und zunächst auf fünf Jahre befristeten Abkommen der
EWG-Zentralbanken über kurzfristige Überbrückungshilfe bei Zahlungsbilanzscfawierigkeiten
erreicht. Durch ihre Zustimmung zur Eröffnung von Verhandlungen mit beitrittswilligen
Mitgliedsstaaten der EFTA hat die Haager Konferenz auch den Hoffnungen auf eine räum
liche Erweiterung der EWG Auftrieb gegeben. Obwohl nur einige EFTA-Länder (Großbri
tannien, Irland, Norwegen, Dänemark) die Vollmitgliedschaft anstreben, während andere
unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit wünschen, besteht in der durch den Beitritt
Islands zum 1. März 1970 inzwischen auf acht Vollmitglieder angewachsenen EFTA Einig
keit darüber, daß die bisherigen gemeinsamen Errungenschaften ihrer Länder durch vonein
ander abweichende Arrangements mit der EWG nicht in Frage gestellt werden dürfen.
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