Bericht des Vorstandes über das Geschäftsjahr 1965
A. Allgemeine Entwicklung
Das Jahr 1965 zeigt für die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland das
Bild einer günstigen Konjunktur bei gegenüber dem Vorjahre verlangsamten Wachstums
raten. Kosten- und Preiserhöhungen, die auch von der Ausdehnung der öffentlichen Haus
halte beeinflußt wurden, überstiegen die reale Zuwachsrate des Sozialprodukts. Die außen
wirtschaftliche Lage hat sich dergestalt entwickelt, daß die Handelsbilanz einen Ausfuhrüber
schuß von DM 1,2 Milliarden, d. h. den niedrigsten des letzten Jahrzehnts, ausweist. Die Aus
fuhren steigerten sich um 10,5 v. H. auf DM 71,7 Milliarden, während sich die Einfuhren in
bisher ungewohntem Maße um 19,8 v. H. auf DM 70,5 Milliarden erhöhten.
Dem Überschuß aus der Handelsbilanz und dem Kapitalverkehr standen defizitäre Ergebnisse
in den Zahlungen im Dienstleistungsverkehr und vor allem in den unentgeltlichen Leistungen
wie Wiedergutmachung, Entwicklungshilfe und Transfer von Gastarbeiterlöhnen gegenüber,
welche bewirkten, daß die Zahlungsbilanz, die im Vorjahre nahezu ausgeglichen war, nun
mehr ein Defizit von DM 1,5 Milliarden ausweist.
Die Gold- und Devisenbestände der Bundesrepublik mit DM 28,8 Milliarden haben sich ge
genüber dem Vorjahresstand mit DM 30,3 Milliarden relativ geringfügig geändert, was im
wesentlichen den Zuflüssen von Auslandsgeldem aus Kreditgewährung an inländische Un
ternehmen zuzuschreiben ist.
Die Bundesbank hat aus ihrer währungspolitischen Verantwortung heraus gegenüber den
die Währungsstabilität gefährdenden Tendenzen ein Warnzeichen gesetzt, indem sie ihre
1964 eingeleitete restriktive Geld- und Kreditpolitik weiter verschärfte. Neben den im Vor
jahr erfolgten Erhöhungen der Mindestreserven wurde der Diskontsatz am 22. 1. 1965 von
3 v. H. auf 3,5 v. H. und am 13. 8. 1965 auf 4 v. H. heraufgesetzt. Außerdem wurde im Oktober
für die Kreditinstitute eine Kürzung der Rediskontkredite wirksam. Diese Maßnahmen ver
ursachten eine wachsende Verknappung auf dem Geldmarkt.
Am deutschen Kapitalmarkt hat die im Frühjahr 1965 gesetzlich eingeführte und mit Zins
termin vom 1. Juli wirksam gewordene Kuponsteuer dazu geführt, daß sich ausländische
Anleger spürbar zurückhielten. Hinzu kam, daß die Kurs- und Zinsentwicklung der Renten
werte auch die deutschen Anleger zurückhaltend beeinflußte. Die Rendite für festverzinsliche
Werte lag Anfang 1965 bei 6,4 v. H. und erhöhte sich bis Jahresende auf 7,5 v. H. und mehr.
Die Durchschnittskurse der ßprozentigen öffentlichen Anleihen sanken Ende Mai, als die
Kursstützung aufgehoben wurde, auf 94,5 v. H. Als auch die im Juni vorgenommene Erhö
hung des Nominalzinssatzes auf 7 v. H. ohne Wirkung blieb, wurde ein Genehmigungsstop
für Inhaber-Schuldverschreibungen eingeführt mit dem Ziel, die Reihenfolge und Bedingun
gen von öffentlichen Anleihen abzustimmen. Dennoch sank der Durchschnittskurs zum
Jahresende weiter auf 90,0 v. H. Der Absatz von Rentenwerten lag im 1. Quartal
bei DM 5,5 Milliarden Nominalwert und ging im 2. Quartal auf DM 3,9 Milliarden, im 3.
Quartal auf DM 3,3 Milliarden zurück, während im 4. Quartal DM 3,5 Milliarden abgesetzt
wurden. Insgesamt belief sich der Absatz auf DM 16,2 Milliarden gegenüber DM 17,8 Milliar
den im Vorjahr. Obwohl das Sparaufkommen im Jahre 1965 auf Grund der gestiegenen
Einkommen wiederum wesentlich höher als im Vorjahr lag, zeigten die Kurssenkungen, daß
der Rentenmarkt in den letzten Jahren überfordert wurde.
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