Bericht des Vorstandes über das Geschäftsjahr 1964
A. Allgemeine Entwicklung
Im Jahre 1964 war die weltwirtschaftliche Entwicklung durch eine von den Industrienationen
ausgehende Expansion bestimmt. In den USA vollzog sich ein anhaltender Konjunkturauf-
schwung, der gleichermaßen auf dem industriellen Bedarf an Investitionsgütern und dem
durch Steuerabbau geförderten Konsum beruhte. In Kanada, Australien, Japan und Südafrika
verlief die wirtschaftliche Entwicklung weiterhin besonders günstig. In Lateinamerika konn
ten mehrere Länder, insbesondere solche des mittelamerikanischen Raumes, Fortschritte
erzielen. In Europa zügelten in Frankreich und auch in der Schweiz die Maßnahmen gegen
den Preisauftrieb in kleinerem Umfange die Expansion, während in Italien die währungs
politische Stabilisierung von konjunkturellen Rückschlägen begleitet war. In Großbritannien
blieb der Produktionsanstieg hinter den Erwartungen zurück; bei schneller Zunahme der Ein
fuhr und zurückbleibenden Exportleistungen kam es zu einem bedeutenden Defizit der
britischen Zahlungsbilanz.
Die Weltwarenmärkte boten im Berichtsjahr ein sehr unterschiedliches Bild. Für Buntmetalle
lösten Materialverknappung und andere Faktoren Haussebewegungen (Kupfer, Zinn und
Zink) aus, die gegen Jahresende wieder abebbten. Bei reichlichem Angebot im Jahresverlauf
eher abgeschwächt war die Grundtendenz bei Textilrohstoffen sowie Nahrungs- und Genuß
mitteln. Am Jahresende war das Preisniveau bei Baumwolle leicht, bei Wolle stärker ermäßigt;
bei den Kaffeemärkten notierte Santos in New York höher, Robusta im Londoner Termin
markt dagegen schwächer. Bei Weizen führte der Wegfall der russischen Käufe des Jahres
1963 zu Preisrückgängen. Das bemerkenswerteste Ereignis war die ganz im Gegensatz zur
Tendenz des Vorjahres stehende Baisse auf dem Londoner Zuckermarkt, die eine Senkung
des Preisniveaus um mehr als 70 v. H. ergab. Die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung
(Weltkonferenz) in Genf, auf der 122 Industrie- und Entwicklungsländer vertreten waren,
beschloß Empfehlungen, die u. a. internationale Rohstoffabkommen zur Stabilisierung der
Rohstoffpreise betrafen, und führte zur Bildung eines Welthandelsrates.
Als bedeutende währungspolitische Ereignisse des Jahres sind die Konferenz des Internatio
nalen Währungsfonds (IWF) in Tokio und vor allem die mehrfach bewährte Zusammenarbeit
der führenden Welthandelsnationen anzusehen, durch die Schwächeerscheinungen wichtiger
Währungen behoben werden konnten. So war es möglich, der im Frühjahr drohenden Abwer
tung oder Konvertibilitätseinschränkung der Lira zu begegnen. Großbritannien geriet im
Herbst durch das wachsende Defizit seiner Zahlungsbilanz in eine schwere Vertrauenskrise.
Die von den wichtigsten Notenbanken daraufhin kurzfristig gewährten Kredite in Höhe von
3 Milliarden US-Dollar sind als ein bemerkenswertes Beispiel internationaler Währungs
solidarität anzusehen. Insgesamt stellte der Internationale Währungsfonds im Berichtsjahr
22 Mitgliedstaaten mehr als 1,9 Milliarden US-Dollar in 12 Währungen zur Verfügung.
Für die Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) bedeutete die Ver
einbarung vom 15. 12. 1964 über die bis 1967 vorzunehmende Vereinheitlichung der EWG-
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