Bericht des Vorstandes über das Geschäftsjahr 1961
A. Allgemeine Entwicklung
Die weltpolitischen Spannungen im verflossenen Jahr haben dazu beigetragen, die lang
jährigen Bemühungen um die Vertiefung der internationalen Zusammenarbeit des Westens
auf wirtschaftlichem Gebiet noch stärker wirksam werden zu lassen. Der im August 1961 von
Großbritannien gestellte formelle Antrag auf Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemein
schaft, die Beitrittsgesuche von Dänemark und Irland sowie die Assoziierungsanträge von
Schweden, Österreich und der Schweiz und die Verhandlungen mit den übrigen EFTA-Län-
dem machen die Fortschritte zur Bildung eines einheitlichen europäischen Wirtschaftsraumes
deutlich. Die Umwandlung der OEEC in die um die USA und Kanada seit dem Herbst er
weiterte OECD wird die Zusammenarbeit zu beiden Seiten des Atlantik verstärken und ins
besondere auch die finanziellen Grundlagen für eine internationale Entwicklungshilfe
schaffen.
Die wirtschaftliche Entwicklung stand für die USA im Zeichen der Wiederbelebung der Kon
junktur, während in Westeuropa die ersten Zeichen einer Abschwächung der konjunkturellen
Expansion sichtbar wurden.
In der Bundesrepublik war die wirtschaftliche Entwicklung in vielen Bereichen weiterhin von
einer Vollausnutzung der Produktionskapazitäten und dem Mangel an Arbeitskräften be
stimmt. Die Wachstumsrate des Sozialproduktes für 1961 erreichte dabei jedoch nicht die
außergewöhnliche Steigerung des Vorjahres. Nach den vorläufigen Berechnungen des Stati
stischen Bundesamtes erhöhte sich in 1961 das Bruttosozialprodukt auf DM 310,4 Milliarden
und real (d. h. unter Ausschaltung der Preisveränderungen seit 1954) auf DM 252,1 Milliar
den, wobei die Zuwachsrate 9,9 v. H. (real 5,3 v. H.) gegenüber 12 v. H. (real 8,8 v. H.) im
Vorjahr betragen hat.
Von den einzelnen Wirtschaftszweigen ist die Industrie an der Konjunktur am stärksten
beteiligt gewesen. Die industrielle Produktion stieg im Jahre 1961 schätzungsweise um 6 v. H.
1960 11,5 v. H.)Die Erzeugung von Investitionsgütern lag mit einem Zuwachs von 10 v. H. wie
der an der Spitze der Produktionsausweitung. In den Grundstoff- und Produktionsgüterindu
strien betrug die Steigerung 6 v. H. (Vorjahr 14,7 v. H.), während im Bereich der Verbrauchs
güterindustrie die Zuwachsrate mit 6 v. H. nur knapp hinter dem Vorjahr (8 v. H.) zurück
blieb. Für die einzelnen Bereiche muß festgestellt werden, daß die Entwicklung gebietsmäßig
und jahreszeitlich durchaus unterschiedlich gewesen ist und auch ein Nachlassen der Inlands
nachfrage spürbar wurde.
Die Anspannung auf dem Arbeitsmarkt wird dadurch gekennzeichnet, daß trotz Erhöhung der
Gesamtzahl der Beschäftigten im Bundesgebiet von 20,26 Millionen Ende 1960 auf 20,80 Mil
lionen Ende 1961 bei mehr als 550 000 ausländischen Arbeitnehmern die Zahl der offenen
Stellen auf über eine halbe Million angewachsen ist. Das Masseneinkommen hat sich um
10,8 v. H. (Vorjahr 9,3 v. H.) erhöht und beruht auf Lohnsteigerungen bei oft gleichzeitiger Ar
beitszeitverkürzung. Dabei sollte nicht übersehen werden, daß durch die wachsenden Kosten
die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmungen im In- und Ausland beeinträchtigt wird.
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