Bericht des Vorstandes über das Geschäftsjahr 1960
A. Allgemeine Entwicklung
Das Jahr 1960 stand für die westdeutsche Wirtschaft weiterhin im Zeichen der Hochkonjunk
tur und hat erneut zu einem wesentlichen Zuwachs des Volkseinkommens geführt. Das
Bruttosozialprodukt erreichte einen Wert von DM 275,8 Mrd. und erhöhte sich damit um
rund 11,3 v.H. Die Zuwachsrate vom Jahre 1959 belief sich nach neuen Berechnungen auf
8,5 v. H., während sie 1958 7,0 v. H. betragen hat.
An dieser Entwicklung hatte von allen Wirtschaftszweigen die Industrie den stärksten
Anteil. Der Index der Industrieproduktion ist um rund 11,2 v.H. auf 274 v.H. gegenüber
246 v.H. im Vorjahr gestiegen. An der Spitze der Produktionsausweitung in der Bundes
republik lag die Gruppe der Investitionsgüterindustrien 15,8 v.H.). Es folgten die Grund
stoff- und Produktionsgüterindustrien 14,7 v.H.) mit besonderer Aufwärtsentwicklung der
eisenschaffenden Industrie, der NE-Metall- und der chemischen Industrie. Im Bereich der Ver
brauchsgüterindustrien 8 v.H.) erzielte die Kunststof Verarbeitung eine bemerkenswerte
Produktionssteigerung. Der Bergbau konnte sich nach dem schweren Vorjahr erholen.
Die Erschöpfung der heimischen Arbeitskraftreserven zwang die Industrien zur weiteren
Rationalisierung und Modernisierung ihrer Produktionsstätten. Ungeachtet der Anwerbung
von ausländischen Arbeitnehmern bestand der Mangel an Arbeitskräften fort. Die Gesamt
zahl der Beschäftigten in allen Wirtschaftszweigen stieg von 13,05 Millionen Ende 1959 auf
13,34 Millionen Ende 1960.
Der Außenhandel nahm in verstärktem Maße zu. Insgesamt stiegen die Importe um
DM 6,9 Mrd. auf DM 42,72 Mrd. (Zuwachsrate: 19 v.H.) und die Exporte um DM 6,8 Mrd.
auf DM 47,95 Mrd. (Zuwachsrate: 16 v.H.). Im Vorjahre hatten die Einfuhrwerte
DM 35,82 Mrd. (Zuwachsrate: 15 v.H.) und die Ausfuhrwerte DM 41,18 Mrd. (Zuwachs
rate: 11 v.H.) betragen. Der nunmehr erzielte Ausfuhrüberschuß, DM 5,22 Mrd., weicht
somit von dem des Vorjahres, DM 5,36 Mrd., nur geringfügig ab. Der Durchschnittswert der
Gesamteinfuhr hielt sich auf der Höhe des Vorjahres, obwohl das Preisniveau der Welt
warenmärkte bei uneinheitlicher und stärkeren Schwankungen ausgesetzter Entwicklung im
ganzen gesunken war. Den stärksten Preisrückgang erlitt der Kautschukmarkt. Die Kaffee
preise unterlagen leichten Schwankungen mit einer zum Teil nach unten gerichteten Tendenz.
Bei Wolle und in der zweiten Jahreshälfte auch bei Baumwolle war der Trend ebenfalls
abwärts gerichtet. Jute verzeichnete dagegen einen beachtlichen Preisauftrieb. Die Durch
schnittswerte der Ausfuhr erhöhten sich leicht.
Der Handel mit den USA zeigte eine wesentliche Steigerung unserer Importe auf DM 6 Mrd.
(gegenüber DM 4,6 Mrd. im Vorjahre). Hieran waren insbesondere Investitions- und Ver
brauchsgüter beteiligt. Unser Exportergebnis in Höhe von DM 3,8 Mrd. war gegenüber 1959
leicht rückläufig. Der Handelsverkehr mit den EWG-Partnem erweiterte sich beachtlich, und
zwar auf der Importseite um 28,7 v.H. und auf der Exportseite um 25,2 v.H. Dieses
Ergebnis zeugt vom Fortschritt der von den EWG-Ländem angestrebten Wirtschaftsintegra
tion, die durch erneute Senkung der Binnenzölle und Aufstockung der Einfuhrkontingente
vorangetrieben wurde. Die Angleichung der nationalen Zölle an den gemeinsamen Außen
zolltarif wurde auf den 1.1.1961 vorverlegt. Die Bemühungen um eine Annäherung zwischen
EWG und EFTA wurden fortgesetzt. Für die Hansestädte bleibt es von lebenswichtiger Be
deutung, daß der Brückenschlag zwischen den beiden Wirtschaftsblöcken vollzogen wird, um
zu einer Großen Freihandelszone zu kommen. Die Umwandlung der OEEC in die um die
USA und Kanada erweiterte OECD verstärkt die Erwartung auf eine schließliche Gesamt
integration der westlichen Welt.
Die Zahlungsbilanz, die im Vorjahr mit DM 1,92 Mrd. defizitär war, wies 1960 einen Aktiv
saldo von DM 8,1 Mrd. aus. Der Bestand der Bundesbank an Gold und Devisen erhöhte sich
zum Jahresende auf DM 31,80 Mrd. Die ungewöhnlich starke Veränderung ergab sich haupt
sächlich aus einem Umschwung in der Bilanz des Kapitalverkehrs, deren vorjähriges Defizit
von 6,13 Mrd. sich in einen Uberschuß von DM 1,12 Mrd. verwandelte. Dieser zusätzliche
Devisenanfall war nicht allein die Folge einer Repatriierung von Auslandsguthaben, sondern
wurde insbesondere bedingt durch eine Neuverschuldung im Ausland infolge des Zinsgefälles.
7