Bericht des Vorstandes über das Geschäftsjahr 1959
A. Allgemeine Entwicklung
Mit Beginn des Frühjahres 1959 setzte erneut ein Konjunkturaufschwung in den meisten
Zweigen der deutschen Wirtschaft ein. Das Bruttosozialprodukt erhöhte sich im Berichtsjahr
um rund 7,5 Prozent gegenüber 6,4 Prozent im Jahre 1958.
Der Index der Industrieproduktion (1950 100) ist in 1959 wesentlich stärker als im Vorjahr
angestiegen, und zwar um rund 7,3 Prozent auf 246 gegenüber 3,1 Prozent im Jahre 1958.
Hauptträger dieser Entwicklung waren nach wie vor das Baugewerbe sowie die Grundstoff
und Produktionsgüterindustrien. Auch die Stahl- und die Textilindustrie, die 1958 hinter
der allgemeinen Entwicklung zurückgeblieben waren, konnten im Berichtsjahr merkbare
Zuwachsraten aufweisen. Einen Produktionsrückgang hatte dagegen der Bergbau zu ver
zeichnen, da die Absatzschwierigkeiten auf dem Steinkohlesektor nicht beseitigt werden
konnten.
Die Entwicklung des Arbeitsmarktes zeigte, daß von dieser Seite her einer weiteren Pro
duktionsausdehnung enge Grenzen gesetzt sind. Die Zahl der Arbeitslosen verringerte sich
vom Jahresende 1958 bis Ende Dezember 1959 um etwa 50 Prozent auf 443 320; das Angebot
an offenen Stellen hat sich dagegen im gleichen Zeitraum auf 240 570 mehr als verdoppelt
bei einer Beschäftigtenzahl von rund 19,85 Mio. (1958 rund 18,76 Mio.).
Während das Masseneinkommen in den ersten drei Quartalen des Berichtsjahres um rund
6,2 Prozent anstieg, erhöhte sich der Lebenshaltungskostenindex um rund 3 Prozent.
Im Außenhandel standen im Berichtsjahr Einfuhren in Höhe von DM 35,1 Mrd. Ausfuhren
in Höhe von DM 41,2 Mrd. gegenüber, so daß ein Exportüberschuß von DM 6,1 Mrd. gegen
über DM 5,9 Mrd. im Jahre 1958 erzielt wurde. Während sich der Export wertmäßig um
11,3 Prozent und volumenmäßig um 14 Prozent erhöhte, stieg der Import wertmäßig um
12,9 Prozent und volumenmäßig sogar um 18 Prozent an. Der überdurchschnittliche Anstieg
des Importvolumens ist besonders auf den Preisrückgang von Genußmitteln wie Wein,
Rohtabak und Kaffee sowie gewisser Rohstoffe, wie z. B. Baumwolle, zurückzuführen. Bei
anderen Grundprodukten wie Wolle und Kautschuk zogen die Einfuhrpreise dagegen an.
Den stärksten wertmäßigen Anstieg verzeichneten die Importe aus den EWG-Ländern. Auf
der Exportseite konnte durch eine starke Ausweitung der Ausfuhren nach den USA bei
gleichzeitig fallenden Importen der Passivsaldo der westdeutschen Warenhandelsbilanz
gegenüber dem Dollarraum erstmalig ausgeglichen werden.
Das im Berichtsjahr zu verzeichnende Defizit der Zahlungsbilanz beruht überwiegend auf
einer starken Steigerung des Kapitalexportes. Eine wesentliche Rolle spielten die einmaligen
Vorauszahlungen für Importe des Verteidigungsministeriums, die Quotenerhöhung bei der
Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds, vorzeitige Schuldentilgung sowie der
private Wertpapierhandel.
Auf dem Geldmarkt wurde zu Beginn des Berichtsjahres der Anschluß an die internationalen
Märkte gefunden. Ausschlaggebend war die Senkung des Diskontsatzes auf 2% Prozent, die
Aufhebung des Verzinsungsverbotes für ausländische Depositen und die Lockerung der
Mindestreservebestimmungen. Ein lebhafter, auch von der Notenbank aus Zahlungsbilanz
gründen erwünschter Geldexport konnte sich entwickeln. Durch den starken Anstieg der
Konjunktur im Inland sah sich jedoch die Deutsche Bundesbank im Herbst gezwungen,
den Diskontsatz auf den heutigen Stand von 4 Prozent heraufzusetzen. Zum gleichen
Zeitpunkt und erneut im Februar 1960 wurden die Mindestreserven erhöht für aus
ländische Guthaben auf den Höchstsatz von 30 Prozent und die Rediskontkontingente
der Banken empfindlich gekürzt. Wir stellen mit Bedauern fest, daß diese an sich not
wendige Restriktionspolitik in den Hansestädten in erster Linie den Import trifft, der aus
wirtschafts- und währungspolitischen Gründen gefördert und nicht behindert werden sollte.
Auf dem Kapitalmarkt ergab sich ebenfalls eine Umkehr des Zinstrends. Während noch im
Mai 1959 eine 5prozentige Verzinsung für Rentenwerte marktkonform erschien, stieg der
Zins neuer Emissionen bis zum Beginn des Jahres 1960 wieder auf über 6 Prozent an. Die
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