Geschäftsbericht des Vorstandes
über das Geschäftsjahr 1957
A. Allgemeine Entwidklung
Nach der stürmischen Aufwärtsentwicklung der westdeutschen Wirtschaft in den ver
gangenen Jahren, die in verschiedenen Bereichen zu erheblichen Spannungen geführt hatte,
setzte sich im Jahre 1957 die schon in der zweiten Hälfte des Vorjahres beginnende fühlbare
Entspannung durch.
Das wirtschaftliche Wachstum nahm ein gemäßigteres Ausmaß an, die Zuwachsraten lagen
jedoch durchaus im Rahmen der Entwicklung eines gesunden Industriestaates. Das Brutto
sozialprodukt wies eine Zunahme von 8,4 Prozent auf gegenüber 10,1 Prozent im Vorjahr
und 14,1 Prozent im Jahre 1955.
Die Grenzen für eine weitere Steigerung waren hauptsächlich auf dem Arbeitsmarkt zu
suchen. Neben einer fast völligen Ausschöpfung der Arbeitskraftreserve die Arbeits
losenquote betrug Ende September 1,9 Prozent setzte sich eine weitere Arbeitszeit
verkürzung durch.
Die Einkommen der Arbeitnehmer stiegen weiter an. Die Netto-Löhne und -Gehälter er
höhten sich um ca. 9 Prozent, die Stundenverdienste der Industriearbeiter sogar um
14,3 Prozent.
Wenn es angesichts dieser Tatsache nicht zu stärkeren Preissteigerungen kam sie gingen
im Durchschnitt nicht über 2 Prozent hinaus so lag dies hauptsächlich daran, daß die Ein
kommensbezieher einen größeren Teil des verfügbaren Einkommens sparten. Die durch
schnittliche Sparquote der privaten Haushalte stieg von 5,8 Prozent im Jahre 1956 auf rund
8,2 Prozent im Jahre 1957.
Die industrielle Produktion wies ein verringertes Wachstum auf. Der Index für die gesamte
Industrie (1950 100) stieg im Jahresdurchschnitt um 5i7 Prozent auf rund 203. In den ver
gangenen Jahren hatten die Zuwachsraten 8 Prozent (1956) und 15 Prozent (1955) betragen.
In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß die Zuwachsrate der Investitionsgüter
industrie im Berichtsjahr weit hinter dem Durchschnittssatz zurückblieb, während die ver
brauchsnahen Industriezweige eine überdurchschnittliche Zunahme aufwiesen. Die Entwick
lung der Auftragsbestände zeigt, daß auch für 1958 mit keiner wesentlichen Steigerung der
Produktion zu rechnen ist.
Besonders die Auslandsnachfrage ist im Verlauf der internationalen Konjunkturentwicklung
erheblich zurückgegangen. Im abgelaufenen Jahr machte sich dies zwar noch nicht bemerk
bar. Das Jahr 1957 schloß bei Ausfuhrwerten von 35,97 Milliarden DM (Vorjahr 30,86 Milli
arden DM) und Einfuhrwerten von 31,59 Milliarden DM (Vorjahr 27,96 Milliarden DM) mit
einem Ausfuhrüberschuß von 4,38 Milliarden DM. Dieses Ergebnis, das durch eine für die
Bundesrepublik günstige Entwicklung der Preisrelationen im Außenhandel (terms of trade)
weitgehend beeinflußt war, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Export auf zu
nehmende Schwierigkeiten stößt. Bei einem Vergleich mit den Vorjahren zeigt sich, daß
schon im Jahre 1957 die Zunahme (17 Prozent) wesentlich hinter der des Jahres 1956
(20 Prozent) zurückgeblieben ist. Der hohe Ausfuhrüberschuß ergibt sich daraus, daß die
Einfuhrzuwachsrate wertmäßig fast im selben Ausmaße zurückgegangen ist. Dabei ist jedoch
zu beachten, daß das Einfuhrvolumen insbesondere infolge der gesunkenen Weltrohstoff
preise stärker gestiegen ist. Die sinkenden Rohstoffpreise führten zu einer Kaufkraftschwä
chung der überseeischen Länder, die nicht ohne Rückwirkung auf die Ausfuhrentwicklung
der westdeutschen Industrie bleiben wird. Einfuhrhemmend wirkten die wirtschafts
politischen Maßnahmen auf dem Agrarsektor sowie die nach wie vor ungenügende Kapital
basis des Importhandels, durch die ihm das Halten größerer Lager nicht möglich war. Die
steuerlichen Bewertungsvorschriften für die Bildung von Importwarenlagern bedeuten hier
eine gewisse Erleichterung, aber keine endgültig befriedigende Lösung.
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