Geschäftsbericht des Vorstandes
über das Geschäftsjahr 1956
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A. Allgemeine Entwicklung
Während die westdeutsche Wirtschaft in der ersten Hälfte des Jahres 1956 gegenüber dem
Vorjahre keine Änderung der allgemeinen Entwicklungstendenz aufwies, zeigten sich in der
Zweiten Jahreshälfte - nicht zuletzt veranlaßt durch die straffe Politik der Bank deutscher
Länder - Merkmale einer gewissen Entspannung.
So lag die Steigerung des Bruttosozialproduktes in der ersten Jahreshälfte gegenüber dem
gleichen Zeitraum des Vorjahres bei 11 Prozent, in der zweiten Jahreshälfte dagegen nur bei
9 Prozent. Das Bruttosozialprodukt erhöhte sich damit von 164 auf 180' Milliarden DM. Der
Produktionsindex (1950 100) stieg im Jahresdurchschnitt von 178 auf 192, d. h. um 8 Prozent
gegenüber 15 Prozent im Vorjahr. Während in der Produktionsausdehnung der letzten Jahre
die Investitionsgüterindustrien weit an der Spitze lagen, hatte die Steigerung im Berichtsjahr
in allen Industriezweigen etwa das gleiche Ausmaß. Absolut gesehen hatte allerdings der
Index der Investitionsgüterindustrien mit 243 immer noch einen erheblichen Vorsprung vor
den Indices der anderen Industrien (z. B. Index der Verbrauchsgüterindustrien: 176).
Die Zahl der Beschäftigten (jeweils Septemberzählung) stieg von 17,8 auf 18,6 Millionen, d. h.
um 800 000 gegenüber einer Million im Vorjahr, während die Arbeitslosenziffer von 495 000
auf 411 000 zurückging. Weit stärker als die Zahl der Beschäftigten stiegen die Bruttolöhne
und -gehälter, nämlich um 12,4 Prozent und zwar trotz zurückgegangener durchschnittlicher
Arbeitszeit. Die gleiche Tendenz zeigte sich auch in der Entwicklung des Bruttostunden
verdienstes industrieller Arbeiter, der um ca. 11 Prozent anstieg.
Der Lebenshaltungskostenindex (1950 100) stieg wie im Vorjahr um 2 Punkte auf 114, der
Index der Erzeugerpreise industrieller Produkte (1950 100) um 4 Punkte auf 124.
Im Außenhandel Westdeutschlands erreichten die Einfuhrwerte 28,0 Milliarden DM und die
Ausfuhrwerte 30,9 Milliarden DM. Dabei stand trotz weiteren Abbaues der Exportförderungs
maßnahmen der Export mit einer Steigerung von 20 Prozent (im Vorjahr 17 Prozent) ein
deutig im Vordergrund, während die Zuwachsrate des Importes von 27 auf 14 Prozent zurück
ging. Infolge dieser gegensätzlichen Entwicklung erhöhte sich der Ausfuhrüberschuß von 1,2
auf 2,9 Milliarden DM. Der Forderung des deutschen Importhandels auf Gewährung von
Finanzierungs- und Steuererleichterungen dürfte im Interesse der Ermöglichung ausreichen
der Lagerhaltung wie auch der allgemeinen Stärkung seiner Konkurrenzfähigkeit im laufen
den Jahr größere Beachtung zu schenken sein. Trotz günstiger Exportzahlen wird aber auch
dem Export weiterhin sorgfältige Pflege und Beachtung zuteil werden müssen, zumal ins
besondere der eigentliche Exporthandel nach wie vor mit großen Schwierigkeiten zu
kämpfen hat.
Das Anwachsen der westdeutschen Nettobestände an Gold und Devisen von 12,9 auf
17,5 Milliarden DM erklärt sich nur zum Teil aus dem Aktivsaldo der deutschen Handels
bilanz, daneben aber auch aus einer Verschiebung der Zahlungsbedingungen sowie aus teil
weiser Verlagerung der Außenhandelsfinanzierung ins Ausland. Das internationale Zins
gefälle hatte eine verstärkte Einschaltung des europäischen Zwischenhandels, zum Teil auch
eine Ausschaltung deutscher Importeure zur Folge.
Die Devisenbeschränkungen konnten bis auf diejenigen, die der Verhinderung des Kapital
zuflusses dienen, weiter abgebaut werden. Hierdurch sowie durch den weiteren Übergang
von der bilateralen zur multilateralen Verrechnung wurde ein Zustand erreicht, der einer
de facto-Konvertibilität nahekommt. Von früher 17 bilateral mit Westdeutschland verrech
nenden Ländern blieben ab Beginn 1957 nur noch Argentinien sowie die Tschechoslowakei
übrig. Die Kontostände der Bank deutscher Länder mit „sonstigen Verrechnungsländern", die
im September 1953 mit einem deutschen Aktivsaldo von 230 Millionen ihren Höchststand
erreicht hatten, gingen per Ende 1956 auf 1,0 Millionen zurück. Keine Berücksichtigung
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