Geschäftsbericht des Vorstandes
über das Geschäftsjahr 1955
A. Allgemeine Entwicklung
Im Jahre 1955 hat sich die westdeutsche Wirtschaft dem Zustand der Vollbeschäftigung
genähert.
Das Bruttosozialprodukt der westdeutschen Wirtschaft erhöhte sich von 145 Milliarden DM
im Jahre 1954 auf rund 160 Milliarden DM im Jahre 1955, d. h. um etwa 10 Prozent. Der
Produktionsindex (1936 100) stieg im Jahresdurchschnitt von 176 auf 204, d. h. um 16 Prozent
gegenüber 12 Prozent im Vorjahr. Bei dieser Steigerung standen wie im Vorjahr die Investi
tionsgüterindustrien an der Spitze. Die Zahl der Beschäftigten (jeweils September-Zählung)
erhöhte sich von 16,8 auf 17,8 Millionen, während die Arbeitslosenzahl von 823 000 auf
495 000 zurüdkging.
Im Zusammenhang hiermit stiegen die Bruttolöhne und -gehälter um 13,5 Prozent (Vorjahres
steigerung 8,2 Prozent) an. Demgegenüber erhöhte sich der Lebenshaltungskostenindex
(1950 100) lediglich von 110 auf 112. Auch die Erzeugerpreise industrieller Produkte (1950
gleich 100) stiegen 1954/1955 verhältnismäßig leicht, nämlich von 117 auf 120.
Die Entwicklung des westdeutschen Außenhandels im Jahre 1955 zeigte eine Erhöhung der
Einfuhr von 19,3 auf 24,5 Milliarden DM und der Ausfuhr von 22,0 auf 25,7 Milliarden DM.
Der Ausfuhrüberschuß, der im Jahre 1954 2,7 Milliarden DM betragen hatte, ging somit im
Berichtsjahr auf 1,2 Milliarden DM zurück. Fraglich erscheint bei Betrachtung dieser Zahlen,
ob es nicht doch verfrüht war, schon mit dem Beginn des Jahres 1956 die bisherigen Ausfuhr
förderungsmaßnahmen auslaufen zu lassen.
Die Produktionsausdehnung zusammen mit der Tendenz zur Kapazitätsausweitung und
Rationalisierung stellte erhöhte Anforderungen an den Geld- und Kapitalmarkt. So stiegen im
Verlaufe des Geschäftsjahres die an Wirtschaftsunternehmen und Private gewährten kurz
fristigen Kredite um 2,9 Milliarden DM auf 27,7 Milliarden DM. Bemerkenswert ist hier aller
dings das Absinken der prozentualen Zuwachsrate gegenüber den Vorjahren. Nicht zuletzt
dürfte dieses mit den im August 1955 von der Bank deutscher Länder getroffenen Restriktions
maßnahmen Zusammenhängen, durch die einerseits der Diskontsatz von 3 auf 3Yz Prozent und
andererseits die von den Geschäftsbanken zu unterhaltenden Mindestreserven erhöht wurden.
Die durch die Maßnahmen der BdL hervorgerufene Einengung des Geldmarktes zeigte sich
auch in der Bruttorefinanzierung der Kreditinstitute beim LZB-System. Gegenüber dem
31. Dezember 1954 nahm diese um 40 Prozent auf 4,5 Milliarden DM zu. Ebenfalls geldmarkt
verengend wirkte die laufend steigende Ansammlung öffentlicher Gelder im LZB-System.
Ermöglicht wurde diese durch eine anhaltende Erhöhung des Steueraufkommens. So stiegen die
Steuereinnahmen von Bund und Ländern 1954/1955 von 30,8 auf 34,2 Milliarden DM, d. h. um
11 Prozent. Die berechtigte Forderung der mit Betriebskapital ungenügend ausgestatteten
Wirtschaft auf wesentliche Senkung der Steuern wird sich in Zukunft noch weiter verstärken.
Der Zahlungsmittelumlauf, der im Juli 1952 die 10-Milliarden-Grenze überschritten und Ende
1954 13,3 Milliarden DM erreicht hatte, stieg zum Schluß des Berichtsjahres auf 14,6 Milliarden
DM an. Von letzteren waren 13,0 Milliarden DM 89 Prozent durch Gold und Devisen ge
deckt gegenüber 10,9 Milliarden DM oder 82 Prozent im Vorjahr.
Der Kreis der mit Westdeutschland bilateral verrechnenden Länder ist durch den Übergang
zum multilateralen Zahlungsverkehr weiter zurückgegangen,
I.