Abschwung zu sein, sah sich auch die Bundes
bank ausgesetzt. Vor allem im Ausland wurde
zeitweilig heftige Kritik am monetären Kurs der
Trippelschritte des Zentralbankrates geübt. An
gesichts des Preisklimas und der über den vor
gegebenen Zielkorridor von 4,5% bis 6,5%
hinausschießenden Geldmengenentwicklung sah
die Bundesbank aber keinen Spielraum für ent
scheidendere Schritte in Richtung Senkung der
Leitzinsen. Insgesamt wurden aber seit dem
4. Februar siebenmal die Leitzinsen gelockert, so
daß der Diskontsatz um 2,5 %-Punkte auf 5,75
und der Lombardsatz sogar um 2,75 %-Punkte
auf 6,75 zurückgeführt wurden.
Allerdings reichte diese vorsichtige Reduzierung
der Leitzinsen nicht aus, um heftige Unruhen im
EWS im Juli des Jahres zu verhindern. Der 2. Au
gust brachte dann eine Neuordnung mit der
Maßgabe, daß die Schwankungsbreite der De
visenkurse drastisch auf 15% nach jeder Seite
bei offiziell unveränderten Leitkursen erweitert
wurde. Eine Ausnahme bildet der niederländische
Gulden. In diesem Fall besteht weiterhin der enge
Rahmen von 2,25%.
Einmal mehr stand auch die öffentliche Verschul
dung 1993 im Mittelpunkt der Kritik. Nach ersten
Berechnungen des statistischen Bundesamtes im
Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrech
nung gab der Sektor Staat 1993 DM 105,5 Mrd.
mehr aus als er einnahm. Das war das bisher
höchste Finanzierungsdefizit in der Bundes
republik seit Einführung der DM. So führte vor
allem der Konjunkturrückgang nur noch zu
einer schwachen Zunahme der Steuereingänge.
Gleichzeitig wiesen die sozialen Leistungen, ins
besondere die aufgrund der hohen Arbeitslosig
keit, einen deutlichen Zuwachs auf. Im einzelnen
stieg das Haushaltsdefizit des Bundes um DM
19,2 Mrd. auf DM 69,5 Mrd., das der Länder um
DM 11,0 Mrd. auf insgesamt DM 38,0 Mrd.,
während das der Gemeinden um DM 1,0 Mrd.
auf DM 6,5 Mrd. anwuchs. In der Sozialversiche
rung verbesserte sich hingegen die Kassenlage
gegenüber 1992 um DM 4,1 Mrd. Der Einnahme
überschuß betrug DM 8,5 Mrd.
1993 war an der deutschen Börse zweifelsohne
ein Jahr der Aktie. Gemessen am dreißig Stan
dardwerte umfassenden DAX konnte ein Anstieg
um 46,7 von 1 545 auf 2266 Punkte verzeich
net werden. Die Kurserholung, die auch die
Steigerung des Weltindex von 19 um mehr als
das Doppelte übertraf, fiel damit weit stärker aus,
als selbst die größten Optimisten zum Jahresbe
ginn zu hoffen wagten. Dieser Kursaufschwung
vollzog sich in einem wirtschaftlichen Umfeld, das
während des gesamten Jahres kaum dazu an
getan war, eine solch ausgeprägte Erholung
fundamental zu untermauern. Die Rezession in
Deutschland und bei den wichtigsten Handels
partnern klingt nur sehr langsam aus, und die
Situation am Arbeitsmarkt blieb europaweit
besorgniserregend. Gleichzeitig hat sich die poli
tische Lage vor allem im Osten und Südosten
Europas weiter destabilisiert. Zudem kam es im
Sommer des Jahres zu den zuvor erwähnten
Turbulenzen innerhalb des Europäischen Wäh
rungssystems.
So waren es einmal mehr die ausländischen
Anleger, die den Kursaufschwung, vor allem im
zweiten Halbjahr, auslösten. Die Kursentwicklung
weist jedoch bei den Einzelwerten diesmal eine
ungewöhnlich große Bandbreite auf. Eine Reihe
von Spezialwerten wie Escom, Escada, Colonia
und Asko haben sich weit mehr als verdoppelt,
während andererseits z. B. bei Technocell oder
Georg Müller Nürnberg fast Totalverluste zu
verzeichnen waren.
Ebenfalls erfreulich, wenn auch bei weitem nicht
so spektakulär wie am Aktienmarkt, war die
Entwicklung am deutschen Rentenmarkt. So bil
dete sich die Umlaufrendite auf 5,4% und damit
auf einen Jahrestiefststand zurück. Zwölf Monate
zuvor hatte sie noch bei 7,1 gelegen. Dieser
Rückgang des Kapitalmarktzinses auf ein histo
risch niedriges Niveau ist angesichts hoher staat
licher Defizite sowie Kapitalexporte und aufgrund
der Einführung der Zinsabschlagsteuer im Aus
maß doch überraschend gewesen.
Höchststände erreichten 1993 nicht nur die
Kurse, sondern auch die Wertpapierumsätze an
den deutschen Börsenplätzen. Nach vorläufigen
Zahlen stiegen die Aktienumsätze um 40 auf
knapp zwei Billionen DM und die Rentenumsätze
um 54% auf 4,9 Billionen DM an.