Insbesondere bei den Staatsfinanzen zeigen sich
die finanziellen Belastungen durch die Wiederver
einigung. Der in erheblichem Umfang und noch
auf Jahre hinaus notwendige Transfer von West
nach Ost findet hier seinen Niederschlag. Aus der
Sicht der Bundesbank ist auch das Anwachsen der
Haushaltsdefizite einer der Gründe, die eine
stärkere Lockerung ihrer restriktiven Geldpolitik
verhindert haben.
Die ersten Berechnungen des statistischen Bun
desamtes im Rahmen der volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnungen für Deutschland ergaben für
den Sektor Staat im Jahre 1992 ein Finanzierungs
defizit von 93,1 Mrd. DM. Es fiel insgesamt um
4,1 Mrd. DM höher aus als im Vorjahr. Im
einzelnen war das Finanzierungsdefizit des Bun
des mit minus 59,7 Mrd. DM zwar um 32,8 Mrd.
DM niedriger als ein Jahr zuvor, bei den Ländern
jedoch vergrößerte sich das Defizit geringfügig
um 2,1 Mrd. DM auf 27,6 Mrd. DM. Die Finanz
lage der Gemeinden hat sich gegenüber dem
Vorjahr um 7,5 Mrd. DM und die der Sozial
versicherungen sogar um 27,3 Mrd. DM ver
schlechtert.
Der Anstieg der Einnahmen des Staates um 9,3
wurde stark durch den an den Bundeshaushalt
abgeführten Bundesbankgewinn in Höhe von
14,5 Mrd. DM nach 8,3 Mrd. DM beeinflußt.
Deutlich mehr als 1991 nahm der Staat in
Deutschland auch mit plus 10% an direkten
Steuern und plus 8,3% bei den indirekten
Steuern ein. Zu den gesamten Steuereinnahmen
trugen die neuen Länder und Berlin-Ost knapp
6% bei.
Demgegenüber stiegen die Ausgaben des Staates
1992 in Deutschland um 9 etwas schwächer als
die Einnahmen, wobei vor allem die Zinszahlun
gen für öffentliche Schulden um 28,9 anwuch
sen.
Das Börsenjahr 1992 verlief am deutschen Aktien
markt enttäuschend. Der 30 Standardwerte
umfassende Deutsche Aktienindex (DAX) wies
zwar nur einen Verlust in Höhe von 2,1 aus, die
marktbreiteren Indices waren jedoch stärker rück
läufig. Während in früheren Jahren die Titel der
zweiten Reihe eine überdurchschnittlich günstige
Entwicklung aufwiesen, kamen gerade diese nun
stärker unter die Räder.
Von Januar bis Ende Mai führten die zu diesem
Zeitpunkt noch häufig vertretenen positiven Kon
junkturerwartungen zu einer deutlichen Auf
wärtsbewegung. Der DAX stieg bis zum 26. Mai
um 15% auf einen Jahreshöchststand von 1 815
Punkten an.
Zur Jahresmitte wurde den Anlegern der Ernst der
Lage zunehmend bewußt. Verstärkt wurde der
dann einsetzende Kursabschwung durch die
überraschende - und angesichts der zu diesem
Zeitpunkt bereits absehbaren konjunkturellen
Entwicklung weltweit kritisierte - Anhebung des
Diskontsatzes auf das Rekordniveau von 8,75
durch die Bundesbank. Nunmehr nahm auch die
Zahl der Prognosen mit reduzierten Umsatz- und
Ertragserwartungen zu. Die wirtschaftspoliti
schen und finanziellen Probleme im Zusammen
hang mit der Wiedervereinigung wurden nun von
den Marktteilnehmern realistischer eingeschätzt.
Am 6. Oktober wurde der Jahrestiefstand mit
1 420 Punkten registriert.
Der Herbst brachte - ausgehend von den Span
nungen und Irritationen im europäischen Wäh
rungssystem-erhebliche Turbulenzen. Die italie
nische Lira und das englische Pfund schieden aus
dem Währungsverbund aus, die spanische Peseta
wurde abgewertet. Der Zentralbankrat senkte
dann per 15. 9. 1992 den Diskontsatz auf 8,25
und den Lombardsatz auf 9,5%, um so zu einer
Beruhigung der Märkte beizutragen.
Im letzten Jahr konnte mit deutschen Anleihen
und mit Festgeld deutlich mehr als mit Aktien
verdient werden. Die Umlaufrendite öffentlicher
Anleihen bildete sich bis Ende Dezember auf
7,10% und somit auf einen Jahrestiefstand
zurück, während sie zum Jahresanfang noch bei
8,4% gelegen hatte. Einschließlich der hierdurch
bedingten Kursgewinne errechnet sich am deut
schen Rentenmarkt ein Anlageerfolg von etwa
13%.
Gleichzeitig mit dem Renditerückgang hat sich im
Laufzeitenbereich zwischen zwei und zehn Jahren
auch die Renditestruktur wieder normalisiert.
Nach wie vor blieb jedoch die Zinsstruktur am
Geldmarkt (bis zu 2 Jahren) invers.
Der Bruttoabsatz am deutschen Rentenmarkt
erreichte 1992 die Rekordhöhe von 573 Mrd.
DM.