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Bericht
des Vorstandes
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Gesamtwirtschaftlicher Überblick
Die Wirtschaftsentwicklung Deutschlands
wurde 1991 maßgeblich von den Folgen der
Vereinigung der Bundesrepublik und der DDR
geprägt. Entsprechend der extrem unterschied
lichen Leistungskraft Ost- und Westdeutsch
lands kam es zu einem tief gespaltenen Kon
junkturverlauf.
In den neuen Bundesländern reichte die relativ
kurze Zeitspanne seit der Wirtschafts- und
Währungsunion erwartungsgemäß nicht aus,
um die durch den Übergang zur sozialen
Marktwirtschaft ausgelöste und durch den
Zusammenbruch der osteuropäischen Märkte
verschärfte Anpassungsrezession zu überwin
den. Erst in der zweiten Jahreshälfte mehrten
sich die Anzeichen für eine langsame Stabili
sierung, allerdings auf niedrigem Niveau, sowie
in Teilbereichen wie in der Bauwirtschaft, dem
Handwerk, dem Dienstleistungsgewerbe und
im Verkehrswesen sogar für einen Aufschwung.
In den alten Bundesländern lief dagegen die
einigungsbedingte Sonderkonjunktur im ersten
Halbjahr auf unvermindert hohen Touren. Der
gewaltige Strom von Waren und Dienstleistun
gen in den Osten verschaffte der westdeut
schen Wirtschaft noch einmal einen kräftigen
Wachstumsschub, bevor dann Mitte des Jahres
der Höhepunkt des Aufschwungs überschritten
wurde. Vor allem das Abflauen des Nach
fragesogs aus den neuen Bundesländern, aber
auch das seit längerem ruhigere Exportgeschäft
sowie die Abflachung des privaten Verbrauchs
bremsten in den Folgemonaten die weitere
wirtschaftliche Expansion. Im Jahresdurchschnitt
fiel denn auch das Wachstum der gesamtwirt
schaftlichen Leistungen mit real 3,1 spürbar
schwächer aus als im Vorjahr (1990: 4,5%),
lag damit aber immer noch deutlich über der
durchschnittlichen Wachstumsrate der letzten
10 Jahre (2,4%).
Getragen wurde dieses Wirtschaftswachstum
im wesentlichen von der Konsumgüterindustrie,
die bei der anfänglichen Vorliebe der Ostdeut
schen für westliche Waren eine Auslastung
ihrer Produktionskapazitäten bis an die Grenze
des Möglichen und stattliche Ertragszuwächse
verbuchen konnte. Dadurch hielt sich auch die
Investitionsgüternachfrage auf hohem Niveau
und stützte über den Bezug von Vorleistungen
das Grundstoff- und Produktionsgütergewerbe.
Vom Außenhandel gingen im letzten Jahr nur
geringe Wachstumsimpulse aus. Nach stagnie
render, teilweise sogar rückläufiger Entwicklung
bis in den Frühsommer hinein verliehen erst
in der zweiten Jahreshälfte vermehrte Auftrags
eingänge aus dem Ausland dem Export neuen
Schwung. Hiervon profitierten vor allem die
Investitions- und Verbrauchsgüterindustrie.
Dennoch war Ende des Berichtsjahres das
Exporttief noch nicht überwunden. Insgesamt
sanken die Ausfuhren um 2,2 auf nom.
666,2 Mrd. DM.
Demgegenüber weiteten sich die Importe um
12,5% auf nom. 645,4 Mrd. DM stark aus.
Erst mit dem Nachlassen der binnendeutschen
West-Ostlieferungen schwächten sich die
Einfuhren im 4. Quartal ab.
Der Außenhandelsüberschuß, der sich 1990
noch auf 105,4 Mrd. DM belief, schrumpfte
1991 auf relativ bescheidene 20,8 Mrd. DM.
Erstmals seit 1981 wies die Bundesrepublik
mit einem Passivsaldo von 34,2 Mrd. DM eine
negative Leistungsbilanz aus (1990: 77,4
Mrd. DM). Ausschlaggebend hierfür war neben
den schwindenden Überschüssen aus dem
Warenverkehr und aus Dienstleistungen das
wachsende Defizit in der Übertragungsbilanz,
verursacht vor allem durch Zahlungen für den
vereinbarten sowjetischen Truppenabzug sowie
die Beteiligung an den Kosten des Golfkrieges.
Auch der Konsum, lange Zeit Motor der kon
junkturellen Aufwärtsentwicklung, büßte nach
der Jahresmitte spürbar an Antriebskraft ein.
Der Kaufkraftentzug durch höhere fiskalische
und soziale Abgaben - so vor allem durch den
für ein Jahr eingeführten Solidaritätszuschlag -
dämpfte die Ausgabebereitschaft vieler privater
Haushalte. Mit 2,4% lag die Wachstumsrate
des privaten Verbrauchs um fast die Hälfte
unter der des Vorjahres (1990: 4,7 und
dies bei geringerer Ersparnisbildung.
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