bringend, sondern gewinnschmälernd, weil kostensteigernd ist. Eben hier pflegen die Gegner der Marktwirt schaft einzuhaken und dem Wettbewerb vor zuwerfen, daß er die Unternehmer zu einem inhumanen Verhalten geradezu zwinge, ob dies nun ein inhumanes Verhalten hinsicht lich der Gestaltung der Wohnumwelt in Indu striegebieten oder ein solches hinsichtlich der Gestaltung der Arbeitsumwelt im Indu striebetrieb selbst sei. Auch wenn mit gutem Grund darauf verwiesen'werden kann, daß das kein Spezifikum der Marktwirtschaft ist unterbleibt im Westen manche dem Umweltschutz oder der Humanisierung von Arbeitsplätzen dienende Investition, weil sie zu Lasten des Gewinnes ginge, so unter bleibt sie im Osten, weil sie zu Lasten des Plansolls ginge steckt in diesem Vorwurf ein wahrer Kern. Dies allerdings nur deshalb, weil der Verbraucher vielfach noch nicht wahrhaben will, daß auch Lebensqualität ihren Preis hat; muß der Staat in Ermange lung einer Verbraucherpräferenz für teurer, aber ökologisch einwandfrei hergestellte Produkte Umweltschutzauflagen verfügen, verstößt er damit übrigens gegen die Prinzi pien der sozialen Marktwirtschaft ebensowe nig wie mit Arbeitsschutzvorschriften. Das Stichwort „Lebensqualität“ umreißt zugleich die dritte Herausforderung, der sich die soziale Marktwirtschaft fortan zu stellen haben wird. Hüten sollten wir uns allerdings davor, in den um sich greifenden intellektuel len Zivilisationspessimismus zu verfallen und uns suggerieren zu lassen, „Lebensqualität“ stehe zum herkömmlichen Begriff des Lebensstandards in einem schlechterdings antithetischen Verhältnis: Selbst in wohlhabenden Gesellschaften wie der amerikanischen oder der deutschen ver birgt sich nur bei kleinen, wenn auch biswei len lautstarken Randgruppen hinter der meist sehr vagen Sehnsucht nach mehr Lebens qualität echter Wohlstandsüberdruß. Viel mehr stimmen in die Klage über „Konsumter ror“ und unerträglichen Leistungsdruck auch genügend Menschen ein, die keineswegs bereit wären, auf eine weitere Steigerung ihres Realeinkommens leichten Herzens zu verzichten, und vollends für die große Masse der Bevölkerung hat auch in reichen Ländern der Wunsch nach mehr Lebensqualität eine handfeste materielle Komponente: ein kom fortableres Auto, ein Häuschen im Grünen, einen Urlaub auf den Seychellen Vielleicht liegt gerade in der Vielfalt der Wunschvorstellungen, die sich unter das Schlagwort „Lebensqualität“ subsumieren lassen, der Schlüssel zu einer operationalen Definition dieses Wunschbündels: Der Mensch in der Wohlstandsgesellschaft ent wickelt, sobald die noch weitgehend allen Menschen gemeinsamen Grundbedürfnisse im großen und ganzen befriedigt sind, das Bedürfnis nach höchst individueller Selbst verwirklichung, ob dies nun ein angenehme res oder ein erlebnisreicheres Dasein ist, ob die Selbstverwirklichung in der beruflichen Tätigkeit oder in der Freizeit gesucht wird, ob sie im materiellen oder im immateriellen Bereich (Bildung und Unterhaltung) liegt, ob die Ich-Entfaltung oder ein Wir-Erlebnis gesucht wird usw. Für die Marktwirtschaft wäre eine solche Auf fächerung der Bedürfnisstruktur nichts prin zipiell, wohl aber etwas graduell Neues. Nichts prinzipiell Neues, weil auch Güter und Leistungen, mit denen dieses differenzierte Bedürfnis nach mehr Lebensqualität befrie digt werden soll, nur zum geringeren Teil im Do-it-yourself-Verfahren oder im Direkt tausch zwischen Nachbarn, zum bestimmt überwiegenden Teil aber weiterhin über den Markt erbracht werden müßten; selbst wer davon träumt, mehr Muße für Hausmusik zu haben, erwirbt Instrument und Noten käuf lich. Wohl aber wäre die hier angedeutete Ent wicklung für die Marktwirtschaft etwas gra duell Neues, könnte sie doch beispielsweise den bisherigen Trend zu einer immer weiter gehenden Standardisierung von Massenpro duktion und Massenvertrieb in Teilbereichen umkehren man denke an die Chance, die der energie- und rohstoffpolitisch notwen dige Übergang vom Wegwerfartikel zum „long-life“-Produkt der kundennahen, viel leicht sogar handwerklichen Fertigung und der fachmännischen Reparatur eröffnet und könnte es sich vielleicht als früher oder später notwendig erweisen, das marktwirt schaftliche Incentive-System des Leistungs lohnes durch andere Anreize Leistungser lebnis durch größeren Dispositionsspiel raum, Anerkennung als Selbstbestätigung usw. zu ergänzen. So weit der Spielraum für unternehmerische Betätigung auch und nicht zuletzt solcher, bei der nicht die Gründungshürde eines gro ßen Eigenmittelbedarfes zu überwinden ist und so weit dementsprechend der Spiel- 17

Rabobank Bronnenarchief

Geschäftsberichte Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt / ADCA Bank | 1978 | | pagina 19