„Der Marktwirtschaft
verpflichtet
Prof. Horst Knapp,
Wirtschaftspublizist, Wien
Jede Bank und diese Bank im besonderen
ist aus ihrer ureigensten Funktion heraus
der Marktwirtschaft verpflichtet. Wo immer
der Staat meint, den Marktmechanismus
durch behördliche Planung und Lenkung
ersetzen zu müssen man denke an die
Kriegswirtschaft im Dritten Reich, an die
Mehrjahrespläne in den Oststaaten, aber
auch an die forcierte Entwicklungspolitik in
großen Teilen der dritten Welt degeneriert
der Bankenapparat zum Erfüllungsgehilfen
des Staates.
Voll funktionsfähig sind die Banken nur, wo
der Markt funktionieren kann und darf. Das
gilt aber auch umgekehrt: Der Markt ist nur
dort voll funktionsfähig, wo er sich der Dien
ste von Banken bedienen kann. Nicht zufällig
geht der Übergang von der Erzeugung auf
Bestellung zur Produktion für den Markt mit
dem Entstehen des Bankwesens Hand in
Hand, eine geschichtliche Reminiszenz, die
sich im Geschäftsbericht eines Bankinstituts
anbietet, bei dessen Gründung im Jahre
1856 soeben Henry Bessemer das erste Ver
fahren zur Massenstahlerzeugung entwickelt
hatte und in Paris das erste Warenhaus eröff
net worden war.
Angesichts der Tatsache, daß die Banken
und die Marktwirtschaft einander wechsel
seitig bedingen, bietet sich als thematischer
Schwerpunkt eines Rückblicks auf das
abgelaufene Jahr das Jubiläum an, das 1978
nicht nur die D-Mark, sondern auch die
soziale Marktwirtschaft feierte, deren Ver
wirklichung Zug um Zug mit der Währungs
umstellung am 20. Juni 1948 in Angriff
genommen worden war.
Dreißig Jahre gelten im menschlichen Leben
gemeinhin als eine Generation. Manches
scheint darauf hinzudeuten, daß es gar nicht
so abwegig ist, dieses Bild des Generations
ablaufes auf die Wirtschaft und im besonde
ren auf die Wirtschaftsordnung zu übertra
gen: Die „erste Generation“ in der Entwick
lung der sozialen Marktwirtschaft ist, wenn
auch nicht abgezirkelt nach 30 Jahren, zu
Ende gegangen; eine neue Generation
von geänderten Bedingungen und neuartigen
Aufgaben zeichnet sich ab.
In pauschalen Darstellungen der Entwick
lung, die die Freisetzung unternehmerischer
Initiative, die Weckung der Bereitschaft zum
Risiko und nicht zu vergessen die
Honorierung der größeren Leistung zustan
degebracht haben, bleiben die ernsten Hin
weise auf diesen „Generationswechsel“
leicht unentdeckt: Das Bruttosozialprodukt
pro Kopf als grober Maßstab für das
Wohlstandsniveau war 1978 mehr als fünf
mal so groß wie 1948, und mit 8160 Dollar
stuft die Weltbank für 1977 das deutsche
Per-capita-Sozialprodukt als das neunthöch-
ste der Welt ein (was sie übrigens schon für
1968 getan hatte). War in dem am 3. April
1948 verabschiedeten ERP-Hilfsprogramm
Deutschland mit 1,7 von insgesamt etwa
13 Mrd Dollar noch einer der Hauptempfän
ger amerikanischer Unterstützung gewesen,
endete das Jahr 1978 bezeichnenderweise
damit, daß für die erstmalige Placierung von
auf ausländische Währung lautenden staat
lichen Schuldverschreibungen der Vereinigten
Staaten, der sogenannten „Carter-Bonds“,
die Bundesrepublik Deutschland ausgewählt
wurde.
Ähnlich eindrucksvolle Beweise für die öko
nomische Effizienz der sozialen Marktwirt
schaft in dem Land, in dem sie nicht bloß von
der Wirtschaftstheorie konzipiert, sondern
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