Bericht des Vorstandes
Zur Wirtschaftslage 1976/77
Weltwirtschaft im
Aufwärtstrend
Expandierender
Welthandel
Dennoch ein
schwieriges Jahr
Stabilisierungspolitik
nicht ohne Erfolg
Spätestens zur Jahresmitte 1976 konnte die vorangegangene weltweite Rezession
- die längste und härteste der Nachkriegszeit als überwunden angesehen wer
den. Zwar hielten die Auftriebskräfte, die hauptsächlich von der einsetzenden
Wiederaufstockung der Läger und vom Nachfragesog des Konsumbereichs getragen
wurden, im weiteren Jahresverlauf nicht in gleicher Stärke an. Im Endergebnis brach
te jedoch das Berichtsjahr einen Wiederanstieg des Bruttosozialproduktes der
OECD-Länder um real insgesamt 5womit der in der Rezession eingetretene
Rückschlag in etwa wieder ausgeglichen wurde. Allerdings divergierten die Wachs
tumsraten in den einzelnen Ländern erheblich; sie bewegten sich zwischen fast 7%
in Kanada und 1 o/o in Großbritannien. Das Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik
erhöhte sich real um 5,6o/o (1975: 3,20/o).
Nach den ersten Schätzungen des GATT erreichte der Welthandel mit einer Steige
rungsrate von 12% die Größenordnung von 1 Billion US-$. Von dieser neuen Re
kordziffer entfielen als Mittelwerte zwischen Exporten (fob) und Importen (cif) auf die
westlichen Industrieländer 680 Mrd US-$, die ölexportierenden Länder 110 Mrd
US-$, die Nonoil-Entwicklungsländer 120 Mrd US-$ und die Ostblockstaaten 95 Mrd
US-$.
Infolge gestiegener Ölimporte hat sich das Defizit im Warenverkehr der OECD-Län
der gegenüber den OPEC-Ländern um 10 Mrd US-$ auf 52 Mrd US-$ erhöht. Beson
ders ausgeprägt war die defizitäre Entwicklung der Handelsbilanzen der Vereinigten
Staaten, Frankreichs, Italiens und Großbritanniens.
Mengenmäßig nahm der Welthandel um 11 zu. Diese Entwicklung gab der im Vor
jahr stark beeinträchtigten Handelsschiffahrt erneuten Auftrieb. Den Ermittlungen
des Bremer Instituts für Seeverkehrswirtschaft zufolge verzeichnete die Welthan
delsflotte (von Oktober 1975 bis Oktober 1976) einen Tonnagezuwachs von 6% auf
341,2 Mio BRT, an dem die traditionellen Schiffahrts- und Industrieländer allerdings
nur mit 2,2% partizipierten.
Trotz weltweiter Wiederaufschwungstendenzen war 1976 ein für die einzelnen Volks
wirtschaften schwieriges und von Unruhe erfülltes Jahr. Die Wirtschaftspolitik der In
dustrienationen stand unter dem Zwang, sowohl die von der Rezessionsperiode
überkommene Massenarbeitslosigkeit als auch den anhaltenden inflationären Preis
auftrieb zu bekämpfen. In zahlreichen Krisen- und Stabilisierungsprogrammen, die
sich lediglich in der Gewichtung der jeweiligen Maßnahmen unterschieden, versuch
ten die einzelnen Regierungen, diese Aufgaben zu bewältigen, wobei man in einigen
europäischen Ländern auch vor sehr harten Eingriffen, wie einem befristeten Lohn-
und Preisstopp, nicht zurückschreckte.
Während es bis heute nicht gelungen ist, die hohe Arbeitslosenquote in den USA
und in Europa nachhaltig zu senken, konnte man bei der Inflationsbekämpfung einige
Erfolge erzielen. Die meisten Zentralbanken des OECD-Bereiches hatten einen
scharf restriktiven Kurs eingeschlagen, der erst in der zweiten Jahreshälfte aufgrund
der Konjunkturabflachung teilweise gelockert wurde. Unter anderem wurde das
Steuerungsinstrument der Diskontpolitik besonders aktiv eingesetzt. In extremen
Fällen stieg der Diskontsatz auf 10 7*% (Frankreich), 117.% (Irland), 12<% (Italien)
und 15% (minimum lending rate in Großbritannien).