Bundesrepublik Deutschland Auf dem Weg in die Rezession Ursächliche Rezessions komponenten Export als Gegengewicht Bis zum Frühjahr 1974 schienen trotz der schwierigen Ausgangslage manche An zeichen dafür zu sprechen, daß der von den letzten Monaten des Vorjahres über kommene Abwärtstrend beendet sei und sich mithin die Abschwungsphase als nicht minder kurzlebig erweisen werde wie der ihr vorausgegangene sechste Boom der Nachkriegszeit. Im weiteren Jahresverlauf mußten indes vielfach gehegte Hoff nungen auf eine wenn auch gemäßigte Wiederbelebung der Konjunktur begraben werden. Erstmals seit dem Rezessionsjahr 1967 fiel die industrielle Produktion un ter das Vorjahresniveau zurück, nachdem noch 1973 eine Zunahme von 6,8 er reicht worden war. Die Beanspruchung der Sachkapazitäten verschlechterte sich von Stagnation zu wachsender Unterauslastung mit entsprechenden negativen und sukzessive sich verschärfenden Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: Abbau von Überstunden und Schichtarbeit, Zunahme von Kurzarbeit und schließlich verstärkte Freisetzung von Arbeitskräften. Innerhalb von zwölf Monaten erhöhte sich die sai sonbereinigte Arbeitslosenquote von 1,8 auf 4,5 Das bedeutet den Höchst stand seit dem Beginn der Vollbeschäftigung 1955/56. Auch in dem steilen Anstieg der Insolvenzen von Unternehmen - um rund 50 auf fast 6 000-, von dem mehr oder weniger alle Wirtschaftszweige und darunter einige Branchen besonders hart betroffen wurden, spiegelte sich die Rezession wider, in welche diese Entwicklung mündete. Während sich das Bruttosozialprodukt nominal mit 995,5 Mrd DM dicht der Grenzmarke von 1 Billion DM näherte, betrug sein reales Wachstum nur noch 0,4 (1973 5,3 Im vierten Quartal hates sogar erstmals das Vorjahresniveau unterschritten. Angelpunkt der Entwicklung war die im gesamten Wirtschaftsbereich eingetretene Kostenexplosion. Die extreme und lang anhaltende Verteuerung auf den Energie- und Rohstoffmärkten trieb die Materialkosten in die Höhe. Der Preisindex für gewerbliche Rohstoffe hatte sich im Jahresverlauf um fast 40 erhöht, wobei be sonders das Erdöl 152,7 und Ölderivate ins Gewicht fielen. Mit dieser Mehr belastung der Wirtschaft kumulierte ein steiler Anstieg der Lohnkosten als Folge zweistelliger Tarifabschlüsse. Die effektiven Lohn- und Sozialaufwendungen je Beschäftigten lagen im Durchschnitt um 12 höher als im Vorjahr. Als weiteres Moment kamen die angesichts des hohen Zinsniveaus erheblichen Geldbeschaf fungskosten hinzu. Die durch den massiven Kostendruck sich abzeichnende Verschlechterung der Ertragslage und die anhaltende Unsicherheit nicht nur über die zukünftige Kostenentwicklung, sondern auch aufgrund umstrittener gesellschaftspolitischer Reformprojekte und der weltwirtschaftlichen Situation, dämpfte die Bereitschaft, über betriebsnotwendige Ersatz- und Rationalisierungsanschaffungen hinaus zu investieren. Die Bestellungen von Ausrüstungs- und Vorratsgütern und besonders die gewerblichen Bauinvestitionen reduzierten sich merklich. Schließlich kamen selbst seitens der privaten Haushalte hinsichtlich langfristiger Verbrauchsgüter keine Impulse—auch dies ein Indiz der allgemeinen Verunsicherung. Strukturkrisen in Schlüsselbereichen wie der Bauwirtschaft und der Automobilindustrie, die in be sonderem Maße von der Inlandskonjunktur und zwar auch der privaten Nachfrage abhängen, verkomplizierten darüber hinaus die Lage. Der Konjunkturabschwung wäre noch erheblich schärfer ausgefallen, hätte nicht der bis in den Spätsommer hinein unerwartet günstige Verlauf des Außenhandels ein bedeutendes Gegengewicht zur schwachen Binnenkonjunktur gebildet. Die 23

Rabobank Bronnenarchief

Geschäftsberichte Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt / ADCA Bank | 1974 | | pagina 29