Faktor Rohstoff
als Politikum
Internationale
Konjunktur
im Abschwung
Stagnation im
Welthandel
ten, und hier in erster Linie die des Nahen Ostens, sich binnen weniger Monate im
Gewande der „beati possidentes“ präsentieren konnten. Die relative Ohnmacht und
Abhängigkeit großer Industrienationen wurde über Nacht erschreckend deutlich,
während eine kleine Gruppe bis dahin wenig bedeutender, aber ölproduzierender
Staaten in zuvor kaum vorstellbare wirtschaftliche und nicht zuletzt damit auch
machtpolitische Positionen einrückte.
Für die Rohstoffmärkte war 1974 ein Jahr der Hausse und Baisse zugleich. Gemes
sen an der Erscheinung, daß nach heftigen Ausschlägen das Preispendel wieder zur
Ausgangsstellung zurückschwingt, bestand die Besonderheit der Entwicklung im
abgelaufenen Jahr in der frühere Phasen überschreitenden Dauer der Hausse, die
bereits 1972 eingesetzt hatte. Die gewichtigste Veränderung im Rohstoffbereich
war jedoch die aus dem Erfolg der Olpolitik der OPEC resultierende Forderung ent
wicklungsbedürftiger Länder nach einem umfassenden Rohstoffdirigismus. Wenn
auch den mit dem bewegenden Thema der Rohstoffversorgung und der Rohstoff
preise befaßten großen internationalen Konferenzen greifbare Erfolge versagt ge
blieben sind, wurde doch deutlich, daß sich in den erhobenen Forderungen bereits
jetzt ein gesteigertes Rollenverständnis der Entwicklungsländer im weltwirtschaft
lichen Geschehen manifestiert.
Das Jahr 1974 endete im Zeichen eines weltweiten konjunkturellen Abschwungs. In
verhältnismäßig kurzer Zeit und beschleunigt seit der Jahresmitte ist die Konjunk
tur der großen Industrienationen von einem weit überzogenen Boom in einen Zu
stand, der teilweise stagflatorische Züge trägt, umgeschlagen. Weniger denn je ist
zu verkennen, daß die Idee einer wachstumsfördernden inflationären Dynamik letzt
lich unrealistisch ist und ein anhaltender Inflationsschub zum Nährboden einertief-
greifenden Rezession werden muß.
Zu der seit Jahren anhaltenden übersteigerten Kosten- und Nachfrageinflation kam
als zusätzlicher großer Preistreiber das Erdöl, ursächliches Moment für neue kaum
zu bewältigende Ungleichgewichte im weltwirtschaftlichen Gefüge. In fast allen
westlichen Industrie ländern-zu den wenigen Ausnahmen gehört die Bundesrepu
blik-erreichte der Anstieg der Verbraucherpreise zweistellige Ziffern. Die rezessive
Entwicklung der einzelnen nationalen Volkswirtschaften verlief nicht nur synchron,
sondern darüber hinaus auch insoweit parallel, als in den schwergewichtigen von
ihnen, vorab den USA, Japan und der Bundesrepublik, dieselben Schlüsselin
dustrien die Hauptbetroffenen des konjunkturellen Abschwungs waren. Im Durch
schnitt nahm das Bruttosozialprodukt des aus 24 Ländern bestehenden OECD-
Raumes real nur noch um 0,3 (gegenüber 6,3 im Vorjahr) zu, während die
Arbeitslosenziffer den Höchststand in der Nachkriegszeit erreichte.
Das Frühjahr 1975 brachte nicht den von Regierungen und wirtschaftswissen
schaftlichen Instituten gleichermaßen erwarteten Aufschwung. Allenfalls deuteten
Abschwächungstendenzen in einigen Sparten der Erzeuger- und Großhandel
spreise auf ein Nachlassen des inflationären Drucks. Die Chance einer nachhaltigen
und baldigen konjunkturellen Belebung kann heute nur mit großer Zurückhaltung
gesehen werden. Die schlechte Verfassung der Wirtschaft nahezu aller bedeuten
den Industrieländer läßt Anzeichen einer Tendenzwende in naher Zukunft nicht zu.
Inflation gepaart mit einer rezessiven Entwicklung spiegeln sich deutlich in den Zif
fern des Welthandels wider. Nach den vorläufigen Berechnungen des GATT-Sekre-
tariates erreichte der gesamte Welthandelswert des Jahres 1974 schätzungsweise