Mit der Energiekrise leben
Wandel der monetären Szenerie
Am Londoner Markt verteuerte sich das Gold um über 70 °/o, das Silber um über
60 Hauptursachen der Hausse waren bei Metallen der zunehmende Rohstoff
bedarf der Industriestaaten und bei Nahrungs- und Genußmitteln Engpässe und
Verknappungserscheinungen. Zu den weiteren Faktoren gehörten verstärkte
Eindeckung zur Absicherung gegen Währungsverluste, spekulative Momente
u. a. m. Hinzu kam schließlich mit Wirkung vom 16. Oktober die Heraufsetzung
der Erdölpreise um 70 und mehr durch gemeinsamen Beschluß der in der
OPEC zusammengeschlossenen Erdöl produzierenden Länder.
Derzeit gibt es Anzeichen dafür, daß sich die allgemeine Rohstoffhausse in
diesem Ausmaß nicht fortsetzen wird, vielmehr ihren Kulminationspunkt bereits
überschritten hat. Als zukunftsbelastendes Erbe des Berichtsjahres verbleibt die
Erhöhung des Rohölpreises, die inzwischen gegenüber 1973 mehr als 300%
beträgt. Dieser vehemente Preisauftrieb beim wichtigsten Träger des Energie
bedarfes der Industrienationen zeitigt in mehrfacher Hinsicht fatale Auswirkun
gen: Importverteuerungen der Verbraucherländer - so müssen die EG-Partner-
länder nach Schätzungen der Brüsseler Kommission für Rohöleinfuhr 1974
zwischen 15 bis 20 Mrd Dollar mehr ausgeben als im Vorjahr bis zur bedroh
lichen Gefährdung des Gleichgewichts ihrer Zahlungsbilanzen; Störung der
Finanzmärkte durch Kapitalzusammenballung in der Hand weniger Erdölexpor
teure; unausbleiblicher Preisauftrieb bei Mineralöl, Mineralölerzeugnissen und
mineralölhaltigen Produkten innerhalb der einzelnen Volkswirtschaften. Das
Energieproblem ist aber wie inzwischen überdeutlich geworden ist nicht
nur eine Frage des Erdöls und seines Preises. Erdöl gehört zu den nicht regene
rierbaren Rohstoffen, mit deren Erschöpfung in absehbarer Zeit zu rechnen ist.
Die Ölkrise war insofern heilsam, als sie drastisch die Notwendigkeit vor Augen
stellte, die Arbeiten an der Erschließung alternativer Energiequellen mit Hoch
druck voranzutreiben.
Währungspolitisch präsentiert sich uns 1973 als eines der dramatischsten Jahre 4
der Nachkriegszeit. Das hohe Defizit der amerikanischen Handelsbilanz löste
erneute Vertrauenskrisen aus, die zu massiven Dollarverlagerungen teils
direkt aus den USA, teils über den Eurodollarmarkt in andere Währungen, vor
allem die D-Mark, den Schweizer Franken und den Yen, führten. Während die
stoßweise auftretenden Turbulenzen an den Devisenbörsen, verursacht auch
durch zeitweise Schwächeanfälle der Lira, des französischen Franc und des
Pfund Sterling, bis in den Herbst hineinreichten, fielen die Beschlüsse, die das
Weltwährungsgefüge veränderten, schon in den ersten Monaten: die Abwertung
des Dollars um 10%, die Einstellung der Dollarstützung seitens wichtiger Länder
durch Freigabe ihrer Wechselkurse und die Bildung eines gemeinschaftlichen
Währungsblocks, bestehend aus acht europäischen Ländern mit sechs EG-Mit-
gliedern als Zentrum, die untereinander ihre Paritäten unter Beibehaltung der
bisherigen Bandbreite stabil hielten. Eine Wiedererstarkung des Dollars setzte
ein, nachdem die Währungsbehörden der USA und des Floating-Blocks mit Be
schluß vom 8. Juli eine gemeinsame Interventionspolitik am Devisenmarkt be
gannen. Schließlich führte die Verbesserung der amerikanischen Handels- und
Zahlungsbilanz und die ungleich schwächere Position Europas und Japans in
der Erdölkrise zu einer beachtlichen Festigung des Dollars.