Bericht des Vorstandes
Zur Wirtschaftslage 1973/74
Weltwirtschaft zwischen
Boom und Krise
Hochkonjunktur und
Welthandelsexpansion
bei globalem Inflationstrend
Höchststand der Rohstoffpreise
Stellen wir uns die Frage, wie das Jahr 1973 aus heutiger Sicht zu beurteilen
ist, müssen wir eingestehen, daß das Wirtschaftsgeschehen in nahezu allen
wichtigen Industrienationen zu kontrastreich verlaufen ist, um eine eindeutige
Antwort geben zu können.
Ungeachtet einer Fülle positiver Wirtschaftsdaten machten sich allenthalben Un
behagen und Unsicherheit bemerkbar. Die in vielen Nachkriegsjahren gefestigte
Erwartung eines unentwegten, nachgerade „automatischen“ Wachstums für
breite Bevölkerungsschichten schon zu sehr zur Selbstverständlichkeit gewor
den ist nicht zuletzt unter dem Eindruck der Ölkrise nachhaltig erschüttert
worden. Eine Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung der nächsten zwölf
Monate erscheint so mehr denn je mit dem Risiko spekulativer Erwägungen
belastet.
In fast allen Industrieländern herrschte Hochkonjunktur, am ausgeprägtesten in
den USA, mit Produktionsrekorden auf breiter Ebene. Der Welthandel expan
dierte mit einer Exportsteigerungsrate von 36 auf (fob) 510 Mrd Dollar. Be
reinigt um die Geldwertminderung und die wechselkursbedingten Verteuerun
gen ergab sich nach den Verlautbarungen des Internationalen Währungsfonds
ein reales Wachstum des Handelsvolumens (ohne Ostblock und VR China) von
12 1972 hatte es 9 und 1971 6 betragen.
GATT bezeichnete es hierbei in seinem Jahresbericht als besonders ermutigend,
daß keine der großen Handelsmächte zu wesentlichen Importbeschränkungen
gegriffen habe, was angesichts der inzwischen von Italien verhängten Einfuhr
erschwerungen für 1974 schon jetzt nicht mehr gesagt werden kann. Dieser
Erfolg ist um so beachtlicher, als die Weltwirtschaft von der Währungsseite her
schweren Belastungen ausgesetzt war.
Spürbarer noch als alle vorangegangenen Jahre stand das Berichtsjahr im Zei
chen eines weltweiten Preisauftriebs. In Japan und Italien überschritt die Zu
nahme der Verbraucherpreise die 10-%-Marke. In einer Reihe anderer Länder,
insbesondere Großbritannien, verlief die Entwicklung ähnlich. Kein Land der
Europäischen Gemeinschaft blieb von der Teuerungswelle verschont, wobei die
Bundesrepublik mit einer Rate von 6,9 noch am unteren Ende der Skala
rangierte.
Eine erhebliche Rolle spielte hierbei die Preisentwicklung der an den großen
Warenbörsen gehandelten Stapelgüter. Nachdem sie schon im Vorjahr deutlich
nach oben gerichtet war, kam es 1973 zu einer exorbitanten Aufwärtsbewegung,
die mehr oder minder alle Rohstoffe erfaßte und selbst den Koreaboom der
fünfziger Jahre hinter sich ließ. Außerordentlich stürmisch war der Auftrieb bei
den NE-Metallen. Weizen, Baumwolle, Naturkautschuk, Kakao, Zucker und
andere Agrarprodukte erzielten auf den Weltmärkten Höchstpreise.
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