Die Reaktion im Ausland Anhaltende Überforderung der Volkswirtschaft Unmäßige Lohnsteigerung Verschlechterung der Ertragslage der Unternehmen Die Preise laufen davon Nur eine scheinbar antizyklische Fiskalpolitik Der deutsche Ausbruch aus dem System fester Wechselkurse wurde vom EWG- Ministerrat scharf kritisiert. Lediglich die Niederlande schlossen sich dem deutschen Vorgehen an. Überraschend wurde der Schweizer Franken um 7 Prozent und der österreichische Schilling um 5 Prozent aufgewertet. Ob es Bundesregierung und Bundesbank gelingen wird, im laufenden Jahr die Wirtschaftsentwicklung in ruhigere Bahnen zu lenken, ist derzeit noch nicht zu über sehen. Die Notwendigkeit dazu ist nicht von der Hand zu weisen, denn das Be richtsjahr 1970 stand im Zeichen einer gewaltigen Lohnexplosion, einer fortschrei tenden Kosteninflation und einer permanenten Überforderung der Leistungskraft der Volkswirtschaft. Besonders symptomatisch dafür war die Lage am Arbeitsmarkt. Obwohl die Zahl der Gastarbeiter um nahezu 400000 oder 25 Prozent zunahm, waren im Jahresdurchschnitt noch rund 800 000 offene Stellen gemeldet. Die Folge dieses ständigen Überdrucks war ein zuvor nie gekanntes Hochschnellen von Löhnen und Gehältern. Die Effektiveinkommen stiegen 1970 um 14,5 Prozent gegen nur 7 Prozent im Durchschnitt der vorangegangenen fünf Jahre. Da die Pro duktivität indes nur um 3,5 Prozent zunahm, erhöhten sich die Arbeitskosten je Produkteinheit um rund 11 Prozent. Diese erheblichen Mehrkosten konntet; nur in geringem Maße den Preisen zuge schlagen werden. Der größte Teil ging zu Lasten der Gewinnmarge. Ein deutliches Indiz für die Verschlechterung der Ertragslage im Berichtsjahr ist der Rückgang des Aufkommens an Körperschaftsteuer um 20 Prozent und an veranlagter Körper schaftsteuer um 6 Prozent. Zugleich verminderten sich die Möglichkeiten zur Selbst finanzierung der Unternehmen, was zu höherer Kreditaufnahme im In- und Ausland zwang. Die Kosteninflation führte zur stärksten Preissteigerung seit dem Korea-Krieg. Wäh rend im Jahr 1968 der Index der Lebenshaltungskosten nur um 1,6 vom Hundert und 1969 um 2,7 vom Hundert gestiegen vyar, betrug die Teuerung im Berichtsjahr 1970 bereits 3,8 vom Hundert und im Mai 1971 sogar schon 4,8 vom Hundert. Der Kauf kraftschwund war damit bereits höher als der im April auf 4,5 Prozent ermäßigte Spareckzins. Dabei hatte die Bundesregierung aufgrund des Stabilitätsgesetzes eine ganze Reihe von fiskalpolitischen Bremsen installiert: Ausgabesperren, zeitweilige Aussetzung der degressiven Abschreibung, Bildung einer Konjunkturausgleichsrücklage und Er hebung eines zehnprozentigen Konjunkturzuschlags zur Einkommensteuer. Obwohl dadurch der Wirtschaft bis Ende1970 rund 5 Milliarden DM Liquidität entzogen und bei der Bundesbank stillgelegt wurden, blieb die Bremswirkung aus, weil die öffent liche Hand auch im Berichtsjahr ihre Ausgaben nochmals um 11 Prozent steigerte und zu deren Finanzierung 7 Milliarden DM Schulden machte. In Wirklichkeit wurde also keine antizyklische, sondern eine expansive Fiskalpolitik betrieben.

Rabobank Bronnenarchief

Geschäftsberichte Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt / ADCA Bank | 1970 | | pagina 8