ehemalige Niederlassung Chemnitz
Die deutsche Zahlungsbilanz
Die anormale Geldfülle in der Bundesrepublik ist nahezu ausschließlich auf den
starken Zustrom von kurzfristigem Auslandsgeld zurückzuführen. Das zeigt auch die
deutsche Zahlungsbilanz. Während die Handelsbilanz 1970 zwarwiedereinen Export
überschuß von 15,7 (i. V. 15,6) Milliarden DM auswies, schloß die gesamte Bilanz
der laufenden Posten nur mit einem Aktivsaldo von 2,8 Milliarden DM, der durch
langfristige Kapitalexporte in Höhe von 4,5 Milliarden DM überkompensiert wurde.
Ohne das kurzfristige Auslandsgeld wäre sowohl in 1970 - als auch in den ersten
Monaten 1971 - die deutsche Zahlungsbilanz ausgeglichen gewesen. Von dieser
Seite her, so kann unbedenklich gesagt werden, besteht kein Anlaß für eine neuer
liche D-Mark-Aufwertung.
Die Ursachen der Aktien-Baisse
Der in so vieler Hinsicht zwiespältige Konjunkturverlauf fand im Berichtsjahr ein
getreues Spiegelbild an den deutschen Wertpapierbörsen. Die alte Erfahrung, daß in
Zeiten einer sich beschleunigenden Geldentwertung eine Flucht in die Sachwerte
einsetzt, hatte diesmal keine Auswirkungen auf den Aktienmarkt. Im Gegenteil, der
Index der deutschen Aktienkurse (FAZ) fiel von Ende1969 bis Ende1970 von 254 auf
187 Punkte. Die Hauptursachen für diese Entwicklung waren die allgemeine kon
junkturelle Unsicherheit, die verschlechterte Ertragslage der Unternehmen, die hohe
Rendite festverzinslicher Wertpapiere (zeitweilig bis zu 8,6 Prozent), die umfang
reichen Neuemissionen sowie nicht zuletzt die Krise des Investmentsparens.
Investmentfonds stark
betroffen
Vor allem aber hatte unter ihr der Markt für Investmentzertifikate zu leiden, der
ohnehin schon durch die Kursabschwächung in Mitleidenschaft gezogen worden
war. So wurden im Berichtsjahr nur noch Investmentzertifikate im Werte von
1,5 Milliarden DM abgesetzt gegenüber 3,4 Milliarden im Jahr zuvor.
Neuer Vertrauensschwund
am Rentenmarkt
Auch am Rentenmarkt kam es durch den starken Anstieg des Kapitalzinses auf zeit
weilig 8,5 Prozent zu beträchtlichen Kursverlusten und damit zu einem neuerlichen
Vertrauensschwund bei den Anlegern. Der gesamte Netto-Absatz von festverzins
lichen Werten erreichte im Berichtsjahr nur noch 15,4 Milliarden DM gegenüber
17,8 Milliarden 1969 und 21,8 Milliarden im Jahre 1968.
Der Verlust des
wirtschaftlichen Gleichgewichts
Die Wirtschaftsentwicklung im Jahre 1970 war also in vieler Hinsicht widerspruchs
voll. Im Innern hatten Wirtschaftswachstum, expansive Lohnpolitik und Reformen
zu lange eine zu eindeutige Priorität vor der Geldwertstabilität, und von außen er
wies sich das amerikanische Zahlungsbilanzdefizit als überaus gefährlich. Die nahezu
unvermeidbare Folge war der Verlust des wirtschaftlichen Gleichgewichts. Es wäre
daher mehr als wünschenswert, wenn alle bestimmenden Kräfte in der Wirtschaft
durch besonnenes und maßvolles Verhalten dazu beitragen würden, das gestörte
Gleichgewicht unserer Volkswirtschaft wiederherzustellen.