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Wirtschaft wird so immer wieder gehemmt statt gefördert. In einem unserer Wochen
berichte des Vorjahres haben wir angeführt, daß die Handelskammer Münster gegen
Mitte des vorigen Jahres den Arbeitslohn für ein gleiches Stück Baumwollware mit
24 Schilling in Polen, in der Tschechoslowakei und in Österreich, mit 28 Schilling in Frank
reich, Belgien und Italien, dagegen mit 48 Schilling in Deutschland festgestellt habe.
Die Ausgaben der Krankenversicherung in Deutschland sind von 569 Millionen im Jahre 1914
auf 1006 Millionen in 1924 und 2 Milliarden in 1928 angewachsen. Das gesamte Auf
bringen für die sozialen Versicherungszweige ist von 1,4 Milliarde im Jahre 1913 auf
5,9 Milliarden im Jahre 1928 angestiegen. (Wir entnehmen diese Ziffern einem Artikel
aus „Der Arbeitgeber“ vom 1. November 1929.) Bei aller Anerkennung der Richtigkeit
des Gedankens einer Entwicklung der sozialen Fürsorge wird sich schwerlich jemand dem ver
schließen können, daß die vorstehenden Ziffern eine die Wirtschaft in unerhörtem Maße
belastende Übertreibung dieses Gedankens bekunden. Die Folge der übertriebenen
Belastung mit Steuern und sozialen Aufwendungen, die völlig unzureichende Kapitalbildung
wirkt sich für die deutsche Wirtschaft in schärfster Weise ungünstig aus. Ein Verständnis
für die Nöte der schwer um ihre Existenz ringenden deutschen Wirtschaft an den maßgebenden
Stellen ist leider nach wie vor nur sehr selten zu finden. Um so dankbarer hat die private
Wirtschaft Deutschlands wir können dies jedenfalls für die uns nahestehenden Wirtschafts
kreise konstatieren die mehrfachen nach dieser Richtung hin sich bewegenden Schritte
des Reichsbankpräsidenten begrüßt. Ebenso erkennt die sächsische Wirtschaft dankbar an,
daß die sächsische Regierung in klarer Erkenntnis der für Sachsen gegebenen Verhältnisse
sich lebhaft bemüht zeigt, im Rahmen des ihr möglichen helfend und fördernd mitzuwirken.
Soweit das Interesse des sächsischen Staates nach bankmäßiger Richtung hin geht, macht
sich für uns allerdings geltend, daß seine Bestrebungen in erster Linie auf Förderung des
eigenen Bankinstitutes abzielen, während in früheren Jahren auch für den sächsischen Staat
die Adca das große sächsische Bankinstitut war.
Wir lassen nunmehr die Einzelheiten über unseren Abschluß folgen.
Wie eingangs bereits hervorgehoben, ist dié Ausgabenseite unserer Gewinn- und Verlust-
Rechnung wiederum gestiegen. Die steuerlichen Aufwendungen haben sich erneut um rund
RoÄ 200000 erhöht. Die Unkosten zeigen eine Steigerung von annähernd Rs# 300000.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß es uns gelungen ist, die sachlichen Unkosten nicht unerheblich
zu verringern. Die persönlichen Unkosten sind dagegen trotz aller Rationalisierungs
maßnahmen wiederum gestiegen. Es machte sich im abgelaufenen Jahre insbesondere
geltend die Erhöhung der tarifmäßigen Bezüge, wie sie sich aus der vorgeschriebenen
Sonderauszahlung eines halben Monatsgehaltes im Frühjahr 1929 ergab.
Auf der Kreditseite der Gewinn- und Verlust-Rechnung ergibt sich ein. starker Ausfall
auf dem Konto der Effekten- und Konsortial-Geschäfte. Hier war ein Erträgnis für das
abgelaufene Jahr nicht einzustellen, wozu verwiesen wird auf die im Eingang dieses Berichtes
gemachten Ausführungen.
Trotz des verhältnismäßig nicht erheblichen Anwachsens der uns zur Verfügung
stehenden fremden Mittel sind wir bestrebt gewesen, der Wirtschaft unseres engeren Arbeits
gebietes durch Kreditgewährung in erweitertem Umfange, wenn auch mit der aus den
Verhältnissen heraus gebotenen Zurückhaltung, zur Verfügung zu stehen. Die Debitoren
in laufender Rechnung haben sich um rund RoÄ 20,5 Millionen erhöht. Dem steht gegenüber
ein Rückgang bei den Reports und Lombards sowie bei den Vorschüssen auf Waren von