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als ob bisweilen eine Überschätzung der für unser engeres Arbeitsgebiet, insbesondere
für Sachsen, geltenden ungünstigen Faktoren erfolgt.
Gewiß liegen die Verhältnisse für die sächsische Industrie und vielfach auch für den
Handel von der sächsischen Landwirtschaft dürfte zu sagen sein, daß hier die Verhält
nisse nicht besser, aber auch nicht schlechter liegen als allgemein für die deutsche Land
wirtschaft ungünstiger als in anderen Teilen Deutschlands. Demgegenüber hat aber zu gelten,
was wir schon in unserem vorjährigen Geschäftsbericht hervorhoben, daß auch mancherlei
günstige Gesichtspunkte für die sächsische Wirtschaft in Betracht kommen, so insbesondere
der durchweg zähe Wille des Sachsen, Herr zu werden über die zu überwindenden Schwierige
keiten. Leider läßt sich nicht verkennen, daß neben dieser Zähigkeit und der konsequenter
weise hieraus sich ergebenden sparsamen Wirtschaftsführung bisweilen auch im Gegensatz
hierzu die Neigung zu konstatieren ist, verhältnismäßig großzügig zu wirtschaften und sich
keinerlei Einschränkungen zu unterwerfen. Häufig genug sind auch hierauf die Zusammen
brüche von Firmen mit zurückzuführen. In weit höherem Umfange als in normalen Zeiten
müssen sich daher die kreditgebenden Banken um die Art der Wirtschaftsführung ihrer Kredit
nehmer bekümmern. Erleichtert ist ihnen dies dort, wo es sich um Aktiengesellschaften
handelt und wo sie durch eine Vertretung im Aufsichtsrat die Gelegenheit zu dauernder
Mitarbeit haben. Diese heute so vielfach und in einer Reihe von Einzelfällen sicherlich
mit Recht kritisierte und angefeindete Einrichtung unseres Aktienrechtes hat nach unseren
Beobachtungen doch vielfach auch gerade in den letzten Jahren recht segensreich gewirkt.
Insoweit vollzieht sich allerdings die Mitarbeit des Aufsichtsrates mehr im Stillen, so daß
in der Öffentlichkeit die Fälle, in denen der Aufsichtsrat wertvolle Arbeit geleistet hat,
naturgemäß weit weniger bekannt werden, als solche Fälle, in denen er versagt hat. Jeden
falls muß es besondere Aufgabe der Banken und deren Leiter sein, sowohl bei ihrer Mit
arbeit in den Aufsichtsräten wie auch sonst allgemein stets hinzuweisen auf die grundlegende
Veränderung in den wirtschaftlichen Verhältnissen Deutschlands, wie sie sich aus dem
verlorenen Kriege ergeben haben. Wohl auf Jahrzehnte hinaus werden sich die Nachwir
kungen des Krieges und seiner Begleit- und Folgeerscheinungen in höchst empfindlicher
Weise für das deutsche Wirtschaftsleben geltend machen, ganz abgesehen von den erdrük-
kenden Lasten des Youngplanes, die in den deutschen Wirtschaftskreisen ganz überwiegend
als auf die Dauer schlechterdings untragbar angesehen werden.
Wir hatten in unserem vorjährigen Geschäftsbericht gesagt, daß die Wucht der Tat
sachen, die in letzter Zeit eine so deutliche Sprache geführt habe, hoffentlich das erreichen
werde, was den rechtzeitigen Vorstellungen und Eingaben der privaten Wirtschaft nicht gelungen
sei, daß nämlich die regierenden Kreise die Unhaltbarkeit der von ihnen eingesohlagenen
Wirtschaftspolitik erkennen möchten. Das abgelaufene Jahr hat nun in der Tat wohl dazu
geführt, daß bei den deutschen Gemeinden die Erkenntnis der tatsächlichen Lage sich
durchgesetzt hat, und daß damit die Überzeugung von der Notwendigkeit weitgehender
Einschränkung gekommen ist. Was dagegen die Reichsregierung anlangt, so gewinnt man
beinahe den Eindruck, daß hier alle Nöte mehr oder minder eindruckslos vorübergegangen
sind, trotzdem die eigene Kassenwirtschaft des Reiches im letzten Jahre ernst genug war. Von
einem neuen Finanz- und einem Steuerermäßigungs-Programm ist viel geschrieben und
gesprochen. Heute aber ist von weitgehenden Einschränkungsmaßnahmen und einem hierdurch
ermöglichten Steuerabbau kaum noch die Rede, sondern nur noch von einer erneuten
Steigerung der bereits ungeheuerlichen steuerlichen und sozialen Lasten. Die Wettbewerbs
fähigkeit mit der ausländischen Wirtschaft und damit die Exportfähigkeit der deutschen