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Die Höhe dieser Lasten wurde in;unserem engeren Arbeitsgebiete besonders drückend
empfunden. Was die Steuern anlangt, so ist es eine unbestreitbare Tatsache, daß eine Reihe
von Steuern sich so auswirkt, daß das Land Sachsen stärker belastet ist als die anderen
Länder, und zwar eben zugunsten dieser anderen Länder. Und die Höbe der sozialen Lasten
und Löhne mit ihrer Tendenz zu weiteren Steigerungen machte sich um so fühlbarer, als
die Verschlechterung der Konjunktur gerade in Sachsen und den angrenzenden thüringischen
und preußischen Bezirken besonders stark in Erscheinung trat. Die Zahl der Ende Januar 1929
im Bezirk des Landesarbeitsamtes Sachsen unterstützten Arbeitslosen erreichte mit annähernd
einer viertel Million eine Rekordziffer. Die Zahl der Betriebsstillegungsanzeigen in Sachsen
zeigte in 1928 eine ständig steigende Tendenz. Im ersten Quartal erfolgten 229 solcher
Anzeigen, im zweiten Quartal 807, im dritten Quartal 316 und im vierten Quartal 465.
Die Zahl der Konkurse im Jahre 1928 für das ganze Reich betrug in 1928 7884, für Sachsen
1137. Der prozentuale Anteil Sachsens an den Konkursen stellt sich somit auf 14,42%,
während nach der letzten vorliegenden Gewerbezählung vom 16. Juni 1925 auf Sachsen
nur 11,33% aller gewerblichen Betriebe des Reiches entfielen. Gilt also ganz allgemein
für weite Kreise der privaten deutschen Wirtschaft, daß sie in einem harten Kampf um
ihre Existenz stehen, so hat dies für die sächsische Wirtschaft in einem noch gesteigerten
Maße zu gelten. Es liegt dies begründet in der Eigenart der sächsischen Wirtschaft,
deren Schwerpunkt auf dem Gebiete der weiterverarbeitenden bzw. Fertigindustrie liegt
und die von jeher auf starken Export angewiesen war, so daß sich die nach dieser
Richtung hin vorliegenden Hemmungen für Sachsen besonders auswirken. Eine führende
Persönlichkeit des sächsischen Wirtschaftslebens hatte früher einmal den Satz geprägt,
daß der sächsische Industrielle vielfach sich „großhungere“. Es unterliegt in der Tat
keinem Zweifel, daß das Aufblühen der sächsischen Industrie zum großen Teil beruhte
auf weitestgehender Sparsamkeit nach jeder Richtung hin. Durch die frühere sächsische
Einkommensteuergesetzgebung wurde diese Einstellung begünstigt; Insbesondere be
schränkte sich die staatliche Einkommensteuergesetzgebung Sachsens darauf, bed Aktien
gesellschaften die auszuschüttenden Gewinne zu erfassen, während auf die Erfassung der
im Betriebe verbleibenden Gewinne bewußt verzichtet wurde. Der Erfolg war eine starke
private sächsische Wirtschaft. Im Gegensatz hierzu wird bekanntlich heute steuerlich jeder
Gewinn erfaßt, der sich nur irgendwie errechnen läßt, wobei vielfach zu gelten hat, daß der
steuerlich errechnete Gewinn nur um deswillen vorhanden ist, weil dem Industriellen nicht
diejenigen Abschreibungssätze auf Anlagewerte zugebilligt werden, die ausreichend sind, um
sowohl dem Verschleiß wie der durch die sich überstürzenden technischen Fortschritte ein
tretenden Entwertung zu begegnen und den dadurch bedingten Neuanschaffungen Rechnung
zu tragen. Der Erfolg ist naturgemäß ein hohes Steueraufkommen, aber gleichzeitig eine
Verhinderung von Kapitalansammlung und ein Aushöhlen der Betriebe. Den besonderen,
die sächsische Wirtschaft betreffenden ungünstigen Umständen stehen andererseits auch
ausgleichende Momente günstiger Art gegenüber. Hierher rechnen wir den immer wieder
anerkannten Fleiß, die Genügsamkeit und die hervorragende Fähigkeit des Sachsen, sich
gegebenen Verhältnissen anzupassen. Wir haben ferner im Auge die besonders günstige
Risikoverteilung, wie sie sich aus dem fast gänzlichen Fehlen von Riesenbetrieben, aus der
mittlere und kleinere Unternehmungen begünstigenden Struktur der sächsichen Wirtschaft
ergibt.